Das Diamantenmädchen (German Edition)
hat.«
»Bitte?«, fragte Lilli etwas überrascht zurück.
Schambacher wies auf die Photos von den Diamanten und den Schleiferwerkstätten.
»Diamanten«, sagte er, »ich habe im Augenblick mit Diamanten zu tun, und plötzlich sehe ich überall Diamanten. In den Auslagen der Juwelengeschäfte, in der Zeitung und hier bei Ihnen.«
Lilli lachte. Sie fand Schambacher sympathisch. Er wirkte gar nicht wie ein Polizist. Eigentlich sah er eher ein bisschen aus, wie man sich einen Flieger vorstellte – sportlich und auf unaufdringliche Weise schneidig. Schade, dass er nicht größer war, dachte sie flüchtig.
»Juwelenraub?«, fragte sie interessiert nach. Man wusste nie – vielleicht war ja sogar eine Geschichte für die Illustrirte drin.
Schambacher hob entschuldigend die Schultern.
»Nee«, antwortete er bescheiden, »bloß Mord.«
Lilli musste lachen und ärgerte sich gleichzeitig ein bisschen über sich selbst.
»Tja«, sagte Schambacher, »deswegen bin ich auch da.«
Er stand auf und tippte auf das Bild, das Lilli vor sich hingelegt hatte.
»Können Sie sich an diesen Mann erinnern?«
Lilli sah sich den Ausschnitt an und schüttelte zuerst den Kopf, aber dann sagte sie:
»Etwas schwierig, das so zu erkennen, der Druck ist nie so gut wie das Photo. Aber wir können’s uns ja mal im Original ansehen.«
Sie stand auf. Schambacher reagierte gleich und erhob sich ebenfalls.
Einer von den Höflichen, dachte Lilli, wie nett.
»Ach«, sagte er, »Sie haben die Originale hier? Wir können uns das gleich ansehen?«
Lilli ging mit ihm durch das Büro, das sich allmählich gefüllt hatte und jetzt hektisch, betriebsam und laut wirkte, in Richtung Paternoster.
»Die Bilder für Artikel aus den letzten drei Monaten haben wir im Archiv immer direkt verfügbar«, erklärte sie, »es kommt so oft vor, dass man noch Abzüge braucht oder dass die Damen und Herren, die wir photographieren, sie gleich als Autogrammphotos bestellen. Fritzi Massary hat neulich tausend Stück bestellt.«
Schambacher folgte ihr interessiert durch das Büro. Die hohen Fenster, die moderne Heizung und die unzähligen Schreibmaschinen, die Aktenschränke – alles wirkte viel neuer und eleganter als ihre abgenutzten Büros am Alex. Es hatte alles Pli, und das gefiel ihm. Fräulein Kornfeld gefiel ihm auch. Irgendwie hatte er, als der Portier ihn zu einem Fräulein Kornfeld geschickt hatte, ein verblühtes altes Mädchen erwartet, eine von denen, die man sitzen gelassen hatte und die ihre Erfüllung jetzt im Feuilleton einer Zeitungsredaktion suchte. Schambacher wusste, dass er Menschen mochte, die eine gewisse Kraft ausstrahlten, die gesund und stark wirkten. Deswegen hatte er so ein gutes Verhältnis zu Athleten-Anna, und deswegen fand er auch Fräulein Kornfeld sympathisch. Sie stiegen in den Paternoster und fuhren nach unten.
»Das Photoarchiv ist im Keller«, sagte Lilli und fragte dann neugierig weiter, während die Stockwerke langsam an ihnen vorbeiglitten, »was für ein Mord?«
Schambacher zögerte kurz. Eigentlich sprach er nicht gerne über seine Fälle, solange sie nicht gelöst waren, aber er wollte ja nun auch Informationen von ihr.
»Wir haben da einen toten Schwarzen. Ist vor ein paar Tagen am Nollendorfplatz erschossen worden und wir wissen nicht, warum, und noch nicht einmal genau, wer er war. Deswegen bin ich bei Ihnen. Weil es vielleicht der Trommler der Sophomores war. Wäre schön, wenn Sie mir ein bisschen erzählen könnten. Wenn er es denn ist«, ergänzte er noch, »aber das sehen wir ja hoffentlich gleich.«
Lilli zuckte mit den Achseln.
»Viel werde ich Ihnen nicht sagen können«, sagte sie, »ich habe eigentlich nur ein Interview mit dem Bandleader geführt. Die Kapelle haben wir nur fürs Photo zusammengestellt. Mit denen habe ich gar nicht gesprochen. Wir sind da.«
Der Paternoster war im Keller angekommen und Lilli sprang heraus, noch bevor sie auf einer Ebene mit dem Gang war. Schambacher lächelte, als er das sah und kam ihr nach. Der Gang war von nackten Glühbirnen erleuchtet; das Linoleum quietschte unter seinen Sohlen.
»Da sind wir schon«, sagte sie, klopfte an eine Tür und trat ein. Das Archiv sah aus wie jede Registratur. Lange Holzregale mit Leitz-Ordnern, ein paar Schreibtische mit Schreibmaschinen, Leimtopf, Zettelkästen und Klemmlampen. Was dieses Archiv aber besonders machte, waren die großen Photoschränke, die ein wenig wie die Kartenschränke aussahen, die Schambacher von der
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