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Das Diamantenmädchen (German Edition)

Das Diamantenmädchen (German Edition)

Titel: Das Diamantenmädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ewald Arenz
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mit den Diamanten für einen schwarzen Reichshaushalt nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war. Sie zuckte nachlässig mit den Achseln.
    »Sie wissen doch, wie wir Mädchen sind«, sagte sie kokett, »wir interessieren uns nun mal für Schmuck.«
    »Natürlich«, lächelte Schambacher, »für Schmuck und Mord. Ich rufe Sie gerne an, wenn ich mehr weiß. Und vielen Dank auch.«
    Sie reichten sich die Hand, und Lilli ging zurück zum Paternoster. Schambacher sah ihr noch einen Augenblick nach. Sie hatte einen geraden, schnellen Gang, und ihr Rock schwang dabei ein wenig um ihre Beine – es sah schön aus, fand er. Im Gehen fragte er sich, warum sie bei seiner Frage eben so gezögert hatte. Oder hatte er sich das nur eingebildet? Auf jeden Fall, fand er, sollte er noch einmal mit ihr sprechen. Und als er in den dunstigen Herbsttag hinaustrat, in das durch den Nebel nur leicht gedämpfte Brausen der Großstadt, da merkte er, dass er sich selber gegenüber nicht ganz ehrlich war und verteidigte sich im Stillen vor sich selbst. Man musste allen Spuren nachgehen, auch den unwahrscheinlichsten. Predigte Gennat das nicht immer? Und er konnte ja schließlich nichts dafür, dass Fräulein Kornfeld attraktiv war. Trotzdem lag es nicht nur an dem Photo, dass er besser gelaunt als heute Morgen zurück ins Büro am Alex ging.

12
    Der August des Jahres 1909 war so heiß, dass Lilli in den Nächten nur unter einem Laken lag, trotzdem leicht und unruhig schlief und oft schon kurz vor Sonnenaufgang in das harte, helle Graublau dieser Sommermorgen erwachte. Es waren nur noch zwei Tage bis zu ihrem elften Geburtstag, und sie öffnete jeden Morgen mit der Zahl der verbleibenden Tage im Kopf die Augen. Eigentlich ärgerte es sie jedes Jahr wieder, dass sie in den großen Ferien Geburtstag hatte. Die meisten ihrer Freundinnen waren in der Sommerfrische an der Ostsee, nur sie blieben immer bis Ende August in Berlin und reisten erst dann für zwei Wochen in die Berge. Lilli wollte eigentlich auch lieber an die See, aber ihr Vater liebte Bayern mit der Inbrunst, die nur ein Großstädter aufbringen kann. Dieses Jahr aber waren zumindest zwei Freundinnen da, und außerdem fuhren auch die van der Laans nicht in die Sommerfrische, sodass Paul schon die vergangenen Wochen immer hier gewesen war und wohl auch zu ihrer Geburtstagsfeier kommen würde. Obwohl er doch schon ein großer Junge war, wie Lillis Mutter kopfschüttelnd gesagt hatte, aber natürlich hatte sie ihrer Tochter nachgegeben, die manchmal sehr stur und sehr bestimmt sein konnte.
    Eine Segelpartie auf dem Tegeler See würde es geben, das hatte Wilhelm ihr verraten. Lilli lag im Bett, die Morgensonne zeichnete durch die Läden sorgfältig und genau ein leuchtendes Schattengitter auf ihr weißes Laken und die blau getünchte Wand gegenüber, sie hörte durch die ausgestellten Fenster das einsam eintönige Rufen einer Holztaube, einen Klang, der ihr immer schon Sommer bedeutet hatte, und malte sich ihren Geburtstag aus und ob sie wohl den Tretroller mit den Gummireifen bekäme, den sie sich schon so lange wünschte. Mit so einem Tretroller mit Gummireifen flog man fast lautlos, und man musste nur ein ganz kleines bisschen treten, nicht wie bei dem alten Klapperding, das sie jetzt hatte und mit dem man auf dem Kopfsteinpflaster immer stürzte. Wenn sie sich so ihren Geburtstag vorstellte, dann wurde sie ganz aufgeregt und spürte ihr Herz puppern. Von unten hörte sie Klappern aus der Küche, und der Geruch von Gebackenem zog ganz leicht in ihr Zimmer. Sie liebte die Morgenstille im Sommer. Es war wie die Spannung in der Kinderoper, bevor der Vorhang sich öffnete und die Musik begann. Ein langer Sommertag lag vor ihr, mit Spielen, Rennen und Verstecken, voller Hitze und voller Sommervergnügen wie Zitronenlimonade am Nachmittag und dem Abendbrot auf der Terrasse. Lilli warf das Laken zurück, stand auf und zog sich leise an. Dann ging sie hinunter in die Küche, wo Lina sicher schon eine Morgenschokolade und vielleicht eine Stulle für sie hatte, denn Frühstück würde es bestimmt erst in einer Stunde geben.
    Nach dem Mittagessen war sie mit einem Buch in den Garten gegangen, lag in der Hängematte, die Papa ihr im Frühjahr zwischen zwei Birken gespannt hatte, und las, als Wilhelm und Paul an ihr vorbei durch den Garten rannten.
    »Wohin geht ihr?«, rief sie ihnen zu.
    »Wo Mädchen nicht hin dürfen!«, schrie Wilhelm zurück.
    Auf Lilli hatte so eine Antwort eine einzige

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