Das Diamantenmädchen (German Edition)
daraus machen.«
Lilli war perplex.
»Was meinen Sie?«
»Sie haben einen ungewöhnlichen Namen. Aus den meisten kann man Anagramme machen. Aus meinem zum Beispiel. Bachmärsche etwa. Oder aus Togotzes Setzgott. Aber aus Lilli nicht und aus Kornfeld auch nicht.«
»Machen Sie das gern?«, fragte Lilli amüsiert. »Mit Namen spielen?«
Schambacher nickte.
»Es ist ein Tick«, sagte er. »Wie andere auf Servietten kritzeln. Und es hält den Geist wach. Außerdem weiß ich jetzt, dass Sie etwas Besonderes sind.«
Lilli lachte.
»Von allen Arten, einer Frau Komplimente zu machen, ist das wohl die bizarrste. Nicht schlecht, Herr Kommissar.«
Jetzt, wo sie ihn genauer und in Ruhe ansehen konnte, merkte sie, dass er zwar nicht sehr groß, aber wohl ziemlich sportlich war. Unter dem Frackhemd zeichnete sich bei manchen Bewegungen ganz leicht ab, dass er keine schmale Brust hatte, er hielt sich gerade, und seine Schultern waren wohlproportioniert. Er sah schon gut aus, musste sie sich im Stillen eingestehen.
»Ich habe mich immer gefragt, was ein Kriminalkommissar nach Feierabend macht«, plauderte sie vergnügt. »In den Detektivromanen meiner Kindheit ist er dann in dunklen Londoner Gassen unterwegs gewesen und hat sich mit Gangstern geschlagen.«
»Sie haben Detektivromane gelesen?«, fragte Schambacher amüsiert. »Hat Ihnen Ihr Herr Vater keins der Nesthäkchen -Bücher gekauft?«
Lilli lächelte.
»Ich war ein halber Junge«, gestand sie, »meine Mutter musste immer meine zerrissenen Sachen nähen. Ich war oft mit meinem Bruder unterwegs – auf Bäumen, in Sträuchern, Indianer spielen und so weiter. Ich wollte später immer mal Sherlock Holmes heiraten. Was habe ich geweint, als er gestorben ist …«
Ihr Champagner kam. Der Kellner schenkte ein. Im Licht des künstlichen Sternenhimmels glitzerte der Schaum, als Schambacher sein Glas hob.
»Auf einen schönen Abend«, sagte er.
Lilli stieß mit ihm an. Die Gläser klangen voll und schön.
»Auf einen schönen Abend«, erwiderte sie lächelnd.
»Sie haben sich geändert«, sagte er, als er das Glas abstellte.
»Was?«, fragte sie überrascht. »Sie kennen mich doch erst seit zwei Tagen.«
»Nein«, sagte Schambacher und grinste bubenhaft, »das meine ich nicht. Sie sind ganz eindeutig kein halber Junge mehr.«
»Sie sind frech«, lachte Lilli, aber geschmeichelt war sie doch.
»Und was ist nun mit Ihnen? Waren Sie früher auch Sherlock Holmes?«
Schambacher schüttelte den Kopf.
»Kein Gedanke! Ich war Old Shatterhand. Wir hatten alle Karl-May-Romane. Ich war immer im Wilden Westen unterwegs. Kriminalgeschichten mochte ich gar nicht.«
Der Kellner kam und nahm ihre Essensbestellung auf. Der Wintergarten war jetzt brechend voll und das Klavier von der Bühne kaum noch zu hören. Lilli wunderte sich.
»Und Sie sind trotzdem Kommissar geworden?«
Schambacher winkte ab.
»Wie das so geht. Ich habe eigentlich Recht studiert. Sogar den Doktor angehängt. Aber ich bin zur falschen Zeit fertig geworden. Sie wissen doch, wie es war. Inflation, Arbeitslosigkeit und so weiter. Und bei der Polizei haben sie händeringend Leute gesucht. Na ja, und da bin ich jetzt.«
Lilli lehnte sich zurück und sah ihn an.
»So so«, sagte sie dann, »er hat sogar einen Doktor, mein Herr Kommissar. Und welchen Fall löst der Herr Doktor, wenn er nicht gerade junge Damens ausführt?«, fragte sie kokett.
Schambacher lächelte.
»Na ja, eigentlich macht er dasselbe wie Sie. Er recherchiert. Diesmal über Diamanten.«
In Lilli horchte die Journalistin auf.
»Na, und wie weit sind Sie?«, fragte sie und setzte, ohne abzuwarten hinzu: »Irgendwie hängt an allen Diamanten Blut, oder? Es gibt keinen berühmten Diamanten, um den nicht gemordet wurde.«
Aus dem Orchestergraben kam jetzt ein Tusch. Der Lärm war so groß gewesen, dass Schambacher nicht einmal gehört hatte, wie die Kapelle die Instrumente gestimmt hatte. Beide sahen zur Bühne. Der Vorhang hob sich, und plötzlich fielen Menschen aus der Decke auf die Bühne. Im Publikum schrie man auf, bis man sah, dass die Artisten in ihren glitzernden Kostümen an geschickt schwarz eingefärbten Seilen hingen und kurz vor den Brettern der Bühne zum Halt kamen. Es waren die Japaner: »Kunstseilartisten« stand in dem Programm, das Schambacher erst jetzt zur Hand nahm. Schon kletterten die Japaner die Seile wieder hoch, standen mitten in der Luft quer auf dem Seil, nur mit einer Hand hielten sie sich, mit der anderen
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