Das Diamantenmädchen (German Edition)
Ring an seiner Hand gesehen – in so einem Etablissement sitzen würde. Der Champagner kam, und Schambacher schenkte ein. Wieder klangen die Gläser, und Lilli, die sich nun schon etwas leicht fühlte, beugte sich ein Stück vor und sah Schambacher ins Gesicht. Er hatte so helle Augen.
»Sie haben interessante Augen«, sagte sie so kühl wie möglich, aber Schambacher antwortete nicht, und er sah ihr auch nicht in die Augen. Sie folgte seinem Blick und bemerkte, dass ihr der Smaragdanhänger aus dem Dekolleté geglitten war und nun über dem Tisch baumelte. Sie wusste nicht, wieso, aber die Stimmung hatte sich plötzlich verändert. Schambacher wirkte auf einmal völlig anders.
»Woher …«, er räusperte sich und fragte dann mit klarer Stimme, der Lilli die Spannung anhörte, »… interessantes Stück. Woher haben Sie das?«
»Das Kleeblatt?«, Lilli nahm es in die Hand und zeigte es ihm, ohne es abzunehmen. »Eine Kindergeschichte … eigentlich ein Spiel.«
»Ich …«, Schambacher war völlig perplex. Dieses exakte Gegenstück zu dem Smaragd zu sehen, über den er seit Tagen nachrätselte, hatte ihn aus der Fassung gebracht. Was hatte Fräulein Kornfeld mit dem Smaragd zu tun? Ein Kleeblatt. Natürlich! Wie hatte er das nicht sehen können.
»Darf ich fragen, wie Sie dazu gekommen sind?«
Ungeschickt, dachte er. Sie war längst misstrauisch.
Lilli sah ihn an. Sie führte Interviews. Sie wusste, wie man unverfängliche Fragen stellte, wenn man etwas nebenbei erfahren wollte.
»Sie sind sehr interessiert«, lachte sie und bog das Gespräch ab, »brauchen Sie noch ein Geschenk für Ihre Frau? Er steht leider nicht zum Verkauf.«
Schambacher lächelte gezwungen. Er hatte den Ring bewusst nicht abgenommen. Er hatte diesem Rendezvous nicht das Gewicht geben wollen, das es im Laufe des Abends doch bekommen hatte.
»Wenn Sie mir die Geschichte erzählen, erzähle ich Ihnen etwas über meinen Diamantenmord, ja?«
Lilli überlegte kurz, dann nickte sie und erzählte Schambacher von dem Armanenschwur, dem geopferten Huhn und dem Ring. Sie merkte, wie genau er zuhörte. Es fehlt nur, dachte sie sarkastisch, dass er einen Block herausholt und sich Notizen macht. Als sie fertig war, fragte Schambacher verwirrt:
»Aber Ihr Freund, Sie wissen schon, der damals mit Ihrem Bruder dabei war, das war kein Schwarzer, oder?«
»Was?«, fragte Lilli, die nun selber komplett überrascht war. »Nein! Das war Paul. Paul van der Laan. Der Diamantenschleifer, Sie wissen schon. Von dem ich Ihnen vorhin erzählt habe.«
»Ach so.« Schambacher lehnte sich zurück und griff nachdenklich nach seinem Glas.
»Und Ihr Bruder?«, fragte er dann zögernd. »Wohnt er auch noch in Berlin?«
Lillis Gesicht wurde ausdruckslos, als sie sagte:
»Mein Bruder ist gefallen. Im Westen.«
Schambacher merkte, wie unangenehm sie die Frage berührt hatte, und er kam sich auf einmal schlecht vor. Aber was hätte er tun sollen?
»Es tut mir leid«, murmelte er. Sie schwiegen beide. Das Orchester lärmte in greller Fröhlichkeit. Die Menschen um sie herum tranken, lachten, unterhielten sich. Lilli hatte auf einmal einen schalen Geschmack im Mund. Das kam vom Champagner, dachte sie. Dann sah sie Schambacher an. Er blickte nicht auf und malte mit dem Finger Kreise aus dem nassen Ring, den sein Glas hinterlassen hatte.
»Was ist das jetzt mit diesem Mord?«, fragte sie mit angespannter Stimme. Schambacher riss sich zusammen. Er musste nachdenken, aber das würde er später tun.
»Es gibt nicht viel zu erzählen«, sagte er dann, »einfach einer dieser Fälle, bei denen man schlicht nicht weiterkommt. Ein Musiker ist umgebracht worden. Ein Amerikaner, nehmen wir an, aus einer der Jazzbands, die hier die europäische Tour machen. Die spielen jeden Monat in einem anderen Land. Und der Mann hatte eben einen Rohdiamanten bei sich. Deshalb Diamantenmord.«
Lilli nickte, aber sie merkte, dass Schambacher ihr nicht alles erzählte. Sie tranken beide noch ihr Glas aus, dann murmelte Schambacher, dass er allmählich gehen müsste, und Lilli war froh, dass sie bald mit ihren Gedanken allein sein konnte. Irgendetwas war falsch gelaufen.
Als er ihr an der Garderobe in den Mantel half, drehte sie sich spontan zu ihm um und fragte:
»Was ist eigentlich passiert? Können Sie mich auf einmal nicht mehr leiden?«
Schambacher sah sie an. Er hatte dasselbe Gefühl wie sie: dass der Abend auf irgendeine Weise verdorben worden war. Manchmal hasste er seinen
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