Das Doppelbett
ja irgendwie weitergehen mußte — die Unterhaltung war fast ganz eingeschlafen —, deckte ich den Tisch ab.
Bengt kam mit den leeren Flaschen und der Geleeschale hinter mir her.
»Du langweilst dich heute abend bei uns, wie?« fragte er teilnahmsvoll.
»Och, ich weiß nicht...«
Ich spülte die Teller im Abwaschbecken. Mein Nacken war etwas steif.
Ich spürte Bengt hinter mir. Plötzlich fuhr er mir mit seinen Fingern ins Haar — spielte mit den kurzen Strähnen. Dann spürte ich seinen Atem an meinem Nacken, dem die Wärme wohltat.
»Du bist wohl nicht recht gescheit«, sagte ich abrupt, erwischte ein Handtuch, trocknete mir die Hände und ging ins Wohnzimmer. Ingela hatte sich auf dem Sofa placiert und eine neue Zigarette angezündet.
»Leg eine Platte auf, Bengt«, sagte sie, als er hereinkam. »Etwas, was ich mag.«
Bengt legte die Supremes auf.
»Zum Teufel, die haben wir doch eben gehört.«
Er stand auf, kam zu mir und setzte sich neben mich, ganz dicht neben mich, seine Wärme strömte auf mich über. >Seine Körpertemperatur muß weit über 40 Grad liegen<, dachte ich.
»Bengt, setz dich neben mich«, sagte Ingela und schlug mit der flachen Hand aufs Sofa.
Bengt stand — zum drittenmal in dieser Minute — auf, und als er davonging, fühlte ich, wie über meinen ganzen Körper Kälteschauer liefen. Wieder saß mir das Schluchzen in der Kehle, und ich flitzte noch einmal zum Klo. Oben entdeckte ich, daß mir gar nicht zum Pinkeln war. Ich weinte nur. Ausgerechnet ein blonder Nationalökonom in weißen Hemdsärmeln und Weste! Ich hörte Ingelas schrecklich gekränkte Stimme und sah ihre nichtangezündete Zigarette aufreizend unter seiner Nase pendeln. Mein Gott, was fantasierte ich da nur zusammen! Ich kann es nur nicht ausstehen, einen Menschen zu sehen, der einen anderen Menschen unterdrückt. Insbesondere dann nicht, wenn es sich um einen blonden Nationalökonom...wenn es sich um einen Menschen handelt, der...Punktum. Die Tränen flössen, und mit ihnen floß die Maskerade. Mit nervösen Fingern zündete ich mir eine Zigarette an und entfernte das Schwarze unter den Augen mit Klopapier, so gut es ging.
Vor dem Klo, in dem dunklen Gang oberhalb der Treppe, stand jemand. Ich fing an, mir Hoffnungen zu machen.
»Du brauchst keine Angst zu haben, ich bin es bloß«, sagte Bengt. »Was hast du denn?«
»Nichts.«
»Aber liebste Anna!« Er stand vor mir. Ich trat an ihn heran. Reichte ihm gerade bis an die Nase.
»Weshalb weinst du?«
»Hm.«
»Es wird wieder gut, verlaß dich drauf.«
Dann nahm er meine Wangen in die Hände, und wir standen ganz still beieinander. Ich wollte ihn umarmen, seine Beine umarmen, ihm sein weißes, ganz sauberes Hemd aufknöpfen... ich ahnte nicht, was mit mir vorging, in meinem Unterleib begann es zu pulsieren, und ich konnte meine Tränen absolut nicht zurückhalten. Sie riechen so rührend schön, diese Bourgeois. Durch und durch sauber. Sauber mit warmen Beinen und warmen Händen.
»Anna.«
»Mmm.«
»Fühl mal.«
»Was?«
»Meinen.«
»Ja.« Ich fühlte — widerwillig, aber respektvoll. Er war groß und hart.
»Anna.«
»Ja«, sagte ich etwas piepsend und versuchte, drum herum zu kommen.
»Du bist so feucht.«
»Laß das. Mir kommt’s, wenn du es so treibst. Küß mich.«
Seine Zunge erfüllte meinen ganzen Mund mit ihrer etwas säuerlichen Süße. Wir lehnten uns an die Wand.
»Kaffee«, rief Ingela.
»Wir sind nicht recht gescheit«, sagte ich leise, flüsterte es ihm in sein Ohr — sein süßes Ohr, das ich nicht lassen, dessen spannende Labyrinthe ich nicht verlassen konnte. »Wir müssen hinuntergehen und Kaffee trinken«, sagte ich mit schwacher Stimme.
»Geh du lieber voraus«, sagte er, aber ich merkte, daß ich nochmals aufs Klo mußte. Ich hatte das merkwürdige Gefühl, als sei mir meine halbe Gebärmutter in den Schlüpfer gerutscht; als ich aber hinter der verschlossenen Tür nachfühlte, entdeckte ich, daß ich nur angeschwollen war wie nie zuvor. Es strömte aus mir. Ich beugte mich über das Waschbecken und murmelte, daß ich sterben müsse, wenn er mich nicht bald in dem großen, breiten Bett nebenan nähme; mich träfe sonst vor Geilheit der Schlag, und dann könnten sie den Rettungswagen rufen. Wenn Ingela zum Kaffee bloß eine Menge Kognak trinken wollte und dann zu Boden ginge! »Lieber Gott, laß es geschehen!«
Nein, dachte ich dann, das ist ja Wahnsinn — ein Nationalökonom, der Mann meiner Kusine, mein Schwager
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