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Das Doppelgrab in der Provence

Das Doppelgrab in der Provence

Titel: Das Doppelgrab in der Provence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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das als ›der erste kleine Hafen östlich von Massalia‹. Zu klein, wahrscheinlich, um einen eigenen Namen zu haben, oder jedenfalls so klein, daß unser Freund Maharbal nicht sicher ist, daß man in ein paar Jahrhunderten den Namen noch kennen wird. Vermutlich ohne historische Bedeutung, was weiß ich.«
    Ariane nickte. »Das könnte sein. Das heißt dann wahrscheinlich Cassis, oder?«
    »Hm. Jedenfalls ist das ein guter Naturhafen, und näher an Marseille kann es kaum was gegeben haben.«
    Er verlängerte die Linie. »Und bis Karthago«, sagte er. Die Linie überquerte das Mittelmeer, schnitt die Südwestecke Sardiniens ab und endete in der Bucht von Tunis.
    Ariane blickte ihn fragend an. »Schön, eine gerade Linie von Belfast bis Tunis. Aber wie ist das mit der damaligen Kartographie? Vielleicht gibt das mit Maharbals Geographiekenntnissen eine Sinuskurve oder sonst etwas.«
    Baltasar strahlte. »Siehst du, das hat mich zuerst auch beschäftigt. Aber ich glaube, ich habe das Problem gelöst. Die Römer haben sich ja immer ans Land gehalten, und die älteste Karte, die wir von ihnen kennen, die
Peutingeriana
, ist eine Routenkarte für spazierende Legionäre. Da spielt es keine Rolle, wo China genau liegt, Hauptsache, die Karte berichtet genug über Garnisonen und Tagereisen zwischen ihnen. Die Karthager dagegen waren erfahrene Seefahrer. Gold aus Punt, Zinn von den britischen Inseln und was weiß ich. Man kann also davon ausgehen, daß sie sowohl Himmelsrichtungen als auch Küstenlinien gründlich gekannt haben. Und wahrscheinlich hatten sie gute Karten. Die Weltkarte des Ptolemaios habe ich nicht im Kopf, klar, aber sie ist, was die Proportionen Europas angeht, so weit ich mich erinnere, viel genauer als die römische Ausgabe. Deshalb, denke ich, können wir davon ausgehen, daß dieser Maharbal, der angeblich überall gewesen ist, mit seinen sparsamen Angaben eine gerade Linie andeuten wollte.«
    Er machte eine Pause. Dann sagte er nachdenklich: »Außerdem spricht, glaube ich, noch etwas dafür. Die Angaben sind so spärlich, daß das Ergebnis, die Aufschlüsselung, im Prinzip nur etwas Einfaches sein kann, zum Beispiel eine Linie. Ich glaube nicht, daß Maharbal selbst imstande war, Kurven zu berechnen, oder daß er es seinen nahen Nachfahren zutraute. – Aber weiter. Von Karthago dann über Syrakus nach Samos.«
    Ariane deutete auf die genannten Weltgegenden, und Baltasar zog den Bleistiftstrich bis Samos.
    »So«, sagte er, »was haben wir da?«
    »Zwei Seiten eines vermutlichen Dreiecks«, sagte Ariane ungerührt, »mit einem stumpfen Winkel.«
    Baltasar nickte wohlwollend. »Auch dein Unglaube wird dem hellen Licht der Erkenntnis weichen. Machen wir einfach mal ein Dreieck draus.« Er verband Belfast mit Samos. »So.«
    Ariane betrachtete das Gebilde skeptisch. »Und weiter?«
    »Weiter habe ich mir, wie eben schon, gedacht, daß Maharbals Karten einigermaßen genau waren und daß er ein einigermaßen einfaches System entwickeln mußte, um seine Schätze zu verbuddeln und Hinweise zu hinterlassen. Der Winkel bei Karthago ist stumpf, aber nicht sehr. Ich habe mir, im Hinblick auf die antiken Karten und die Schwierigkeiten der Projektion überhaupt, also, im Hinblick darauf und auf das Gebot der Einfachheit habe ich mir gedacht, daß dieser Winkel vielleicht ein rechter sein soll. Oder daß Maharbal dies für einen rechten Winkel hielt.«
    Ariane zuckte mit den Achseln. »Na ja, das wäre möglich, aber worauf soll das hinauslaufen? Ein rechtwinkliges Dreieck auf eine europäische Landkarte malen ...«
    Baltasar gab ihr das als Lineal dienende Buch. »Miß mal Belfast-Karthago und Karthago-Samos«, sagte er.
    Ariane maß. Drei Bücher lagen zwischen Nordirland und Tunesien, zwei zwischen Tunesien und der griechischen Weininsel.
    »So ist es«, sagte Matzbach fröhlich. »Zwei Schenkel. Die beiden Katheten des Dreiecks, und die längere ist eineinhalbmal so lang wie die kürzere. So. Was macht er noch? Vor Korkyra, das ist Korfu, und zwar zwei Tagesreisen südwestlich von diesem, hatte er die Vision einer Landschaft in Illyrien, am Danubius, also an der Donau, und die Vision kam ihm senkrecht aus der Sonne. Merkwürdige Vision, oder?«
    Ariane rätselte über der Karte. Sie hantierte mit dem Buch an der Donau herum. Plötzlich sagte sie aufgeregt: »Hier, Moment mal. Wenn man auf der Grundseite dieses komischen Dreiecks die Senkrechte errichtet – und die Vision war doch senkrecht, oder? –, und zwar so,

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