Das Doppelgrab in der Provence
und kann nicht gestört werden.«
Baltasar stieg wieder in seinen Wagen und wendete auf dem Hof, in einem großen, ungeschickt angesetzten Bogen. Die Terrassentür zu Demlixhs Lesesuite stand offen, aber im Haus war niemand zu sehen. Dafür sah Matzbach aus den Augenwinkeln etwas Weißes durch die Vegetation blitzen, dort, wo die Druiden ihr
Alignement
errichtet hatten.
Nachdenklich fuhr er ab. In Lacaze sah er eine ältere Frau, vermutlich eine Bäuerin, aus der Praxis von Herbin kommen. Er parkte unter den Platanen und ging zum Platz vor der Kirche zurück.
Im Bistrot hockte er sich an die Theke und bat um Kaffee und Cognac. Der Wirt grinste ihn an.
»Na, was macht die Pfote?«
Baltasar hob die verbundene Hand. »Ah, geht schon wieder. Nur beim Gangschalten muß ich vorsichtig sein. So ein Glück, daß der Doktor gleich nebenan wohnt. Und daß er hier ißt.«
Der Wirt nickte, sagte aber nichts dazu. Baltasar nippte am Cognac.
»Obwohl mich verwundert«, sagte er, »daß in Lacaze ein Arzt lebt. Ich habe nichts gegen Ihren Ort, Monsieur, aber kann denn ein Doktor hier auskommen?«
Der Wirt zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht.«
»Arbeitet der Doktor vielleicht noch irgendwo in einem Krankenhaus? Oder ist er immer hier?«
»Am Wochenende ist er meistens nicht da. Er fährt samstags früh weg. Wohin? Keine Ahnung.«
»Und was macht man hier, wenn jemand samstags krank wird?«
»Abwarten. Oder nach Draguignan fahren. Aber Sonntag nachmittag ist Doktor Herbin fast immer zurück.«
»Wohnt er auch nebenan? Allein?«
Der Wirt nickte. Aus seiner Haltung und seinem Gesicht konnte Baltasar entnehmen, daß er keine weiteren Fragen zu hören wünschte. Er trank in Ruhe seinen Kaffee und den Schnaps aus, zahlte und fuhr heim. Im Hotel fand er einen ungeduldigen, nervösen und übermüdeten Maspoli vor, der Kaffee trank, rauchte und die Decke anstarrte, wenn er nicht auf den Boden sah oder die mollige Kellnerin zu irritieren versuchte. Baltasar setzte sich zu ihm. Maspoli reichte ihm ein längliches Päckchen mit einer Verdickung in der Mitte; Matzbachs feine Fingerspitzen verrieten ihm, worum es sich handelte.
»Rute und Pendel«, knurrte der Reporter. »So ein hirnverbrannter Blödsinn ...«
Baltasar wartete, bis er seinen Kaffee bekommen hatte, dann nahm er einen großen Schluck, verbrühte sich die Zunge, schimpfte lautlos und begann, Maspoli über die neuesten Ereignisse zu informieren. Er war zurückhaltend mit direkten Verdachtsäußerungen; Maspoli konnte jedoch zwischen den Sätzen hören und stellte Vermutungen an, die Baltasar nicht kommentierte. Schließlich seufzte Maspoli. »Na gut. Dann werde ich eben einen Bericht über das Leben des berühmten Autors Demlixh, der soeben knapp dem Tode entronnen ist, schreiben. Vielleicht wäre das tatsächlich interessant. Ich kann Ihnen nicht versprechen, daß meine Chefs dieser Meinung sind, aber ich werde versuchen, sie davon zu überzeugen, daß ich ein paar Tage hierbleiben sollte.«
»Braver Junge«, sagte Baltasar lobend. »Aus Ihnen kann noch mal was werden.«
Maspoli blinzelte. »Was denn? Schlagen Sie mal was vor.«
Baltasar bemerkte, daß er schon ewig keine Zigarre mehr geraucht hatte. Er kramte in seiner Jacke herum und fand tatsächlich im Etui noch ein Exemplar
pomposo stinkador
. Während er es anzündete, unterbreitete er Maspoli eine detaillierte Vorschlagsliste.
»Tellerwäscher oder, bei Ihrer Intelligenz, Fremdenführer für Analphabeten. Oder was halten Sie von der Einrichtung eines Büros für Nachforschungen – garantiert kein Ergebnis? Selbstverständlich unter Ihrer Leitung?«
Maspoli legte ein Bein auf den Stuhl neben seinem. »Wissen Sie was? Sie sind eine miese Kröte. Ich glaube, ich mag Sie. Wissen Sie, ob die Kellnerin noch frei ist? Ein paar Tage hier könnten mir ganz gut tun.«
Sie besprachen das weitere Vorgehen; schließlich fuhr Maspoli zurück nach Marseille, um sich mit einer beeindruckenden Fotoausrüstung und dem Placet seiner Chefs zu versehen.
Baltasar verbrachte den Nachmittag teils hinter dem Hotel, wo er versuchte, die Handhabung der Rute zu memorieren und wieder einzuüben, teils am Tisch in seinem Zimmer. Dort pendelte er zunächst Flüssigkeiten aus (Kaffee und Leitungswasser, später Rotwein) und schwitzte dann über Provencekarten, die er vollschmierte, indem er mit einem Buch als Lineal und mit seinem Füller umfangreiche Flächen-, Winkel- und Entfernungsberechnungen anstellte. Außerdem
Weitere Kostenlose Bücher