Das Doppelgrab in der Provence
mal«, brummte er, als er die Runde machte und Gläser nachfüllte, »Was ist das für eine Geschichte mit einem Clochard, den Bronner aufgetrieben haben soll, und diesen Brieftauben?«
»Das, mein Lieber, ist eine großartige Erfindung eines gewissen Baltasar Matzbach. Die Brieftauben habe ich mir ausgedacht, besser gesagt, ausgerechnet. Grimaud züchtet Brieftauben, und die Polizei behauptet, sie hätte an den fraglichen Tagen zu Wasser und zu Land alle Zugänge und Übergabemöglichkeiten kontrolliert. Blieb also nur die Luft. Der Rest war die überzeugendste aller in Frage kommenden Möglichkeiten – unter der Voraussetzung, daß Evaristo tatsächlich nicht wirklich Kokain schmuggeln, sondern Kommissare killen wollte.«
»Und wie bist du daraufgekommen?«
»Noch einfacher. Als ich anfing, mir meine ganzen Bluffs zurechtzulegen, die Spaziergänge und die falschen geometrischen Lösungen und so, da dachte ich, wieso soll ich eigentlich der einzige Bösewicht sein, der verspielte Ablenkungsmanöver macht, die ganz anderen Zwecken als den offensichtlichen dienen?«
Sylvie sagte nachdenklich: »Und Demlixh war das schwächste Glied, nicht wahr? Sie wußten, daß Herbin samstags nicht zu erreichen ist ...«
Baltasar rümpfte die Nase. »Ehrlich gesagt, das wußte ich zuerst nicht, ich hatte es nur gehofft, nach dem, was der Wirt mir erzählte. Daß Herbin tatsächlich samstags Druidentreffen leitet, habe ich erst erfahren, als der Brief an Demlixh längst unterwegs war.«
»Aber«, sagte Ariane, »was haben denn nun eigentlich Grimauds Leute mit den Druiden und dem Testament zu tun? Und was hat Bronner tatsächlich herausgefunden?«
Baltasar stellte sein Glas ab, stand auf und begann, im Zimmer hin und her zu gehen. »Ich bedaure. Das wird ewig in undurchdringliches Dunkel gehüllt bleiben, fürchte ich. Aber auch ein lebender Evaristo hätte nichts darüber gesagt ... Ich halte mehrere Möglichkeiten für denkbar. Erstens: Grimaud hatte einen Mann oder eine Frau unter den Druiden – angeblich geschieht ja nicht einmal in der Polizeipräfektur etwas, ohne daß Grimaud davon erfährt. Auf diese Weise erfährt er auch etwas über das karthagische Testament, das ja, wegen der potentiellen Reichtümer, für niemanden uninteressant ist. Zweitens: Grimauds Leute wissen genug über Demlixh und Herbin, um beide zu erpressen, und Herbin versucht, sie mit dem Testament zufriedenzustellen. Drittens: Bronner hat wirklich etwas – durch Zufall oder gezielt – über Grimaud oder Evaristo erfahren, die kriegen das raus und erforschen ihrerseits Bronners Treiben, dabei stoßen sie auf die Druiden und schließen ein Zweckbündnis zur Entschärfung Bronners. Ich weiß nicht – wahrscheinlich gibt es noch mehr Möglichkeiten, aber das kriegen wir vermutlich nie raus. Grimaud weiß natürlich sowieso nie von etwas, Evaristo ist tot, Herbin wird den Mund halten, und ob Demlixh genug weiß?«
Er blieb vor dem Kamin stehen, starrte in die Flammen und gluckste leise. »Herbin hat Louise mit einem Gift umgebracht, das, wie die Obduktion ergab, in Wirkung und Substanz nicht von einer Fischvergiftung zu unterscheiden ist. Demlixh hätte also Louise gar nicht umzubetten brauchen. Aber er hat den medizinischen Ausführungen seines Freundes mißtraut. Bourgoing hat mir hinterher auf die Schulter geklopft und gesagt, wenn er jemals einen Pokerspieler braucht, will er an mich denken.«
Nach einer kurzen Pause setzte er hinzu: »Übrigens noch was. Ducros hatte einen weiteren Grund, auf Evaristo gleich scharf zu schießen. Er ist seit Jahren hinter ihm her und kann ihn nie erwischen. Evaristo hat mindestens zwei seiner Kollegen auf dem Gewissen – das heißt, woanders, denn ein Gewissen hat er bestimmt nicht. Ich habe, neben den guten Argumenten, die Ducros schon auf dem Friedhof angebracht hat, noch ein Motiv bei ihm entdeckt – blanken Haß auf den Kolumbianer und Furcht davor, ihn nach einer Verhaftung möglicherweise schon wieder laufenlassen zu müssen. Wir hatten ja wirklich nichts. Kein Clochard, keine Aussage. Ich glaube auch, wenn wir nicht diese ganzen Provencewanderungen und die Szene auf dem Friedhof so schön arrangiert hätten, wäre Evaristo nie auf den Bluff hereingefallen. Er hätte ja nur zu kichern brauchen. Man sieht mal wieder, es kommt nicht nur auf den richtigen Mann am richtigen Platz an, sondern auch auf Mondlicht, halboffene Gräber und so. Die Vorbereitungen nicht zu vergessen. Für ein gutes Essen braucht
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