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Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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später nach Irkutsk zu kommen, war nur eine Frage der Transportmittel, aber nichts Abenteuerliches mehr. Als Russe mit amtlichen Privilegien durch Rußland zu reisen, ist kein Problem. Man zeigt seine Ausweise, läßt die vielen Stempel bewundern und sagt stolz: »Ja, so ist das, Genossen! Der längste Weg ist der durch die Beamtenstuben. Hat man den geschafft, ist die Welt klein geworden.«
    Ein Satz, der überall anwendbar ist, wo Beamte regieren. Und wo ist das nicht der Fall …
    Shukow band den Leinensack auf, nahm einen kleinen Kompaß heraus und blickte in die Richtung, die Osten sein sollte. Da war die gewaltige Wasserwüste … der Wald in seinem Rücken war Norden. »Schlagen wir eben einen Bogen«, sagte Shukow und warf den Kompaß in den Sack zurück. »Das wird dir Orwell nie verzeihen, daß du im Boot eingepennt bist. Du hättest bis zur Lena treiben können. Nun mußt du latschen, alter Junge.«
    Er fror wieder, rannte ein wenig im Kreis herum, wurde elastischer in den Muskeln und machte sich dann auf die Suche nach leidlich trockenem Holz und Material für sein Blätterdach.
    Zwölf Tage später fanden jakutische Jäger neun Werst vom Ufer der Lena entfernt in der Taiga einen halb verhungerten Menschen. Er kroch über den Boden, zog einen Leinensack hinter sich her und stürzte mit dem Gesicht auf die Erde, als sie ihn anriefen. Sie liefen zu ihm, drehten ihn auf den Rücken und sahen, daß er an einer Baumrinde gekaut hatte. Die faserigen Fetzen hingen ihm noch über die Lippen. Der Mann glühte vor Fieber, und als sie ihn ansprachen, streckte er sich aus wie einer, der sein Ende erreicht hat.
    »Menschen!« sagte Shukow kaum hörbar. Vor seinen Augen verschwammen die breitknochigen Jakutengesichter und lösten sich auf wie Wolken im Wind. »Menschen … Jakutsk … Genossen … ich muß nach Jakutsk.«
    Die Jäger luden den Fremden auf einen flachen Schlitten, der nicht nur über Schnee, sondern auch über den glatten Waldboden dahingleiten konnte, deckten ihn mit Fellen zu und gaben ihm aus einer Thermosflasche bitteren schwarzen Tee zu trinken. Ein Renhirsch, an den Schlitten geschirrt, drehte den Kopf und blickte Shukow an.
    Eine verrückte Welt, dachte er. Jakuten mit zahmen Hirschen, aber eine Thermosflasche haben sie. Verdammt, ist der Tee gut! Er brennt wie Feuer, er sengt meinen leeren Magen aus.
    »Essen«, sagte er. »Irgendwas zu essen …«
    Die Jakuten schüttelten den Kopf, einer setzte sich vor Shukow auf den Schlitten, stieß einen hellen Schrei aus, und dann glitten sie, von dem Hirsch gezogen, durch den Wald. Es waren harte Burschen. Ein paarmal schlug Shukow unsanft mit dem Kopf auf, wenn es über unebenen Boden ging. Dabei verlor er die Besinnung.

Als er wieder aufwachte, lag er auf dicken Fellen in einer Jurte. Eine fette, grinsende Frau rührte neben ihm in einem Topf mit heißer, saurer Milch, was fürchterlich stank, machte ein paar Zeichen mit der Hand, stand dann auf und lief hinaus. Shukow richtete sich auf. Er fühlte sich kräftig und ausgeruht. Verwundert stellte er fest, daß er unter den warmen Fellen nackt war. Seine Brust und sein Rücken brannten, als habe er in Brennesseln gelegen. Er beugte sich zu dem Feuer vor und sah, daß tatsächlich sein ganzer Oberkörper mit kleinen Pusteln übersät war.
    Der Jakute, der Shukow zuerst gesehen hatte und dadurch zum Gastgeber geworden war, kam in die Jurte und hockte sich vor Shukow hin. Sein jakutisches Russisch war schauderhaft, aber man konnte sich verständigen.
    »Du wolltest sterben«, sagte der Jakute. »Du warst heiß wie ein Steinofen. Jetzt lebst du wieder.«
    Shukow klopfte vorsichtig gegen seine Brust. »Das war eine Lungenentzündung, nicht wahr? Was habt ihr mir da draufgeschmiert?«
    »Einen Brei aus Blättern.« Der Jakute lächelte breit. »Alle Hitze fällt zusammen. Gute Blätter.«
    »Davon nehme ich eine Büchse voll mit.« Shukow lächelte schwach zurück. Er fühlte sich stärker, als er war … das Fieber hatte ihn ausgelaugt. Er spürte es, als er die Beine anzog, um aufzustehen. Es gelang ihm nicht. Wie knochenlos sank er auf die Felle zurück. Mit diesem Brei schmiere ich Orwell ein, dachte er. Das kennt er noch nicht. Man sollte die kommenden CIA-Agenten auch in der Herstellung dieses Breis ausbilden. Bob Miller hat bewiesen, daß man damit Leben retten kann.
    »Wie lange liege ich hier?« fragte er.
    »Neun Tage.«
    »Und immer besinnungslos?«
    »Wir haben dich geweckt, haben dir zu essen

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