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Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Orwell und umarmte ihn.
    »Hervorragend, Bob!« hatte er gesagt. »Woran hast du gedacht, als du mitten über dem Fluß auf dem Stamm warst?«
    »An Susan, Sir«, hatte Bob Miller geantwortet, während ihm jetzt erst der kalte Angstschweiß über das Gesicht rann. »Sie hat unter der linken Brust einen Leberfleck, der sieht wie ein Stern aus. Damit könnte sie ohne weiteres Sheriff von Bumsfield werden.«
    »Sie sind ein kalter Hund, Bob«, hatte Orwell darauf entgegnet. »Dabei blicken Sie einen an wie ein Engelchen. Ich glaube, Sie wissen selbst nicht, wie gefährlich Sie sind.«
    Erst später erfuhr Miller, daß alles – bis auf den gelben Fluß – Attrappe gewesen war. Der Baumstamm war präpariert worden, die Krokodilköpfe stammten aus dem Fundus von Hollywood und bestanden aus Plastik. Sie hatten sogar schon in Tarzan-Filmen mitgespielt.
    »Hätte ich das gewußt, Sir«, sagte Miller daraufhin zu General Orwell, »ich hätte Ihnen den Gefallen getan und wäre in den Fluß gefallen.«
    »Anders war es besser, Bob. Vielleicht wird ein Baumstamm wirklich einmal Ihre letzte Rettung.«
    Orwells Zweites Gesicht. »Ich bin kein Prophet«, hatte er einmal gesagt. »Ich kenne nur die Scheiße, in die man euch hineinschicken wird.«
    Jetzt war ein Baum tatsächlich der einzige Weg aus einer Wüste von Wasser. Shukow rutschte auf dem Stamm weiter, hörte, wie hinter ihm das Boot ein paarmal gegen einen anderen Stamm geschlagen wurde und dann zersplitterte. Die letzten Meter mußte er durch das Astwerk klettern und sprang dann auf den morastigen Boden, aus dem der Baum herausgerissen worden war. Seine Wurzeln ragten in den Regen wie Sehnen, Muskeln und Adern eines riesigen zerfetzten Körpers.
    Shukow setzte sich auf eine armdicke, gebogene Wurzel und blickte auf seinen besiegten Feind, den Fluß.
    »Ich habe Glück gehabt«, sagte er rauh. »Du hättest mich geschafft. Verdammt, ich bin ein guter Schwimmer, aber gegen Wasser war ich immer mißtrauisch. Nicht mal im Whisky kann ich es leiden.«
    Er blieb noch eine Weile auf dem Wurzelstock sitzen, warf dann seinen Leinensack auf den Rücken und ging die Anhöhe hinauf, dem Wald entgegen, der ihm jetzt so schön vorkam wie nichts auf der Welt. In den Regenhimmel hineinwachsende Bäume mit einem betörenden Farbengemisch. Dunkelgrüne Fichten, gelbflammende Lärchen, Riesenbirken mit goldenen Blättern, auf denen rote Tupfen glänzten … Shukow blieb stehen und atmete tief durch. Herbst! ›Die flammende Taiga‹, wie man sie in Sibirien nennt. Ein Rausch von Schönheit, ehe der erste Frostwind alles zerstört.
    Der Regen hatte nachgelassen. Das Wasser fiel nicht mehr ungehemmt aus dem Grau des Himmels, sondern löste sich in Fäden auf. Es war jetzt plötzlich ein ganz normaler Regen, die Natur beruhigte sich langsam. Dafür war es kälter geworden. Shukow fror etwas in seiner klatschnassen Kleidung, begann den Hang hinaufzurennen, um warm zu werden, und freute sich auf das helle und heiße Feuer, das er bald anzünden würde.
    Erst im Wald sein, dachte er. Dann bauen wir uns ein Schutzdach aus Zweigen und Laub, so wie wir's beim Überlebenstraining gelernt haben, alter Junge. Ein paar kräftige Pfähle in den Boden gerammt, darüber das geflochtene Dach, mehrschichtig und abgeschrägt, damit der Regen abrinnt … und dann das Feuerchen. Das alles dauert nur zwei, drei Stunden, dann hockst du im Trockenen. Ein Problem wird es werden, für das erste Feuer halbwegs trockenes Holz zu finden. Äste aus dem Unterholz. Wenn erst die kleinste Flamme züngelte, hatte man gewonnen. Das andere Holz schichtete man zum Trocknen drum herum.
    Er lief mit offenem Mund und keuchendem Atem weiter, erreichte den Waldrand und lehnte sich schweratmend an den ersten Baum. Der Blick zurück war grandios: eine einzige quirlige Wasserfläche mit Waldinseln darin, so weit das Auge reichte. Das wird ein totes Land sein, dachte Shukow. Hier lebt kein Tier mehr. Es kann sein, daß ich hier der einzige Mensch bin.
    Er ging tiefer in den Wald hinein, der hier sehr dicht und fast verfilzt war, fand eine Stelle unter eng zusammenstehenden Bäumen, die wie ein Dach wirkten – und beschloß, hier sein Lager aufzubauen.
    Er machte sich keine Illusionen über die nächsten Tage. Vor ihm lag eine Wanderung durch die Taiga, immer in östlicher Richtung, bis er die Lena erreicht hatte. Dann ging es flußaufwärts, bis er auf die erste Siedlung treffen würde. Erst dann war er am Ziel. Nach Jakutsk und

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