Das Doppelspiel
sofort entgegenflammten. Der Mann, von dem er eine Zigarette genommen hatte, blickte stolz um sich. Er wertete es als Auszeichnung.
»Hervorragend, Genosse!« sagte der Arbeiter neben Shukow. »Das ist Jakow Petrosowitsch noch nie passiert. Bis heute war er immer der Sieger. Mit der Schnauze, mit den Muskeln und mit dem, was er in der Hose hat …«
»So weit geht mein Ehrgeiz nicht.« Die Männer lachten und halfen dem Dicken auch nicht, als er sich stöhnend in seinen zerquetschten Gurken wälzte. Noch halb betäubt wollte er hoch, aber seine Muskeln machten noch nicht mit.
»Bleiben Sie lange in Jakutsk?« fragte ein anderer Bergarbeiter.
»Nein. Warum?«
»Jakow Petrosowitsch wird Ihnen auflauern und versuchen, seine Schande glattzubügeln. Er muß Sie besiegen, Genosse, sonst ist es mit seinem Ansehen in der Grube vorbei. Er galt als unangreifbar. Alles konnte er sich leisten. Er lag auf allen Küchenmädchen und Traktoristinnen, und als er sie durch hatte, kamen die Bäuerinnen der Umgebung dran. Ihre Ehemänner? Wenn Jakow Petrosowitsch auftauchte wie ein Mammut, warfen sie alles aus der Hand und rannten davon. Wie oft haben wir ihn beneidet.«
»Ihr habt wohl nur Weiber im Sinn?« sagte Shukow gemütlich.
»Ist's ein Wunder? Neunhundert Mann sind wir, und nur dreißig Frauen arbeiten für die Grube. Das ist ein Problem, Genosse. Schließlich sind wir keine Sträflinge und Verbannte, sondern freie Arbeiter für den Fortschritt. Wenn wir nicht ab und zu nach Jakutsk dürften, wären wir lebende Granaten!«
Jakow Petrosowitsch zog sich an der Tür hoch, klopfte den Gurkenbrei von seinem Anzug und drehte sich dann zu Shukow um. »Wir wollen Freunde sein, Genosse Ingenieur –«, sagte er dumpf. »Vergessen wir alles …«
Er schob die Tür auf, ging hinaus und stellte sich auf den Gang. Dort blieb er stehen, bis die Vorstädte von Jakutsk auftauchten.
»Seien Sie vorsichtig, Genosse«, mahnte Shukows Nachbar zur Linken leise. »Glauben Sie nie an diese Freundschaft. Er wird Sie in Jakutsk verfolgen wie einen weißen Wolf. Was ist Ihr nächstes Ziel?«
»Irkutsk.«
»Das ist gut. Dahin kommt er nie. Soviel Geld hat er auch nicht bei sich, um zu fliegen. Sie fliegen doch?«
»Natürlich.«
»Sehen Sie zu, daß Sie in der nächsten Maschine einen Platz bekommen. Jeder Tag in Jakutsk ist für Sie jetzt gefährlich …«
Der lange Erzzug mit der ächzenden Lokomotive wurde natürlich nicht in den schönen, sauberen Hauptbahnhof von Jakutsk dirigiert, sondern hielt auf einem riesigen Güterbahnhof, etwas außerhalb des neuen Stadtkerns. Von hier fuhren ständig überfüllte Straßenbahnen nach Jakutsk hinein. An den elektrischen Steuerungen saßen junge, hübsche Mädchen in wattierten Jacken und Fellstiefeln. Die Kälte hatte Jakutsk bereits erreicht, aber es gab noch keinen Frost, und es hatte noch nicht geschneit.
Shukow klemmte seinen Reisesack unter den linken Arm und verließ mit den anderen Arbeitern den Zug, um über ein Gewirr von Gleisen und Weichen und zwischen abgestellten Güterwagen hindurch zur Straßenbahnhaltestelle zu kommen. Auf halbem Weg schob sich Jakow Petrosowitsch an seine Seite. Die andern schielten neugierig zu ihnen herüber. Ging es schon los mit der unbarmherzigen Rache?
»Wo werden Sie wohnen?« fragte der Fleischkoloß. Die zerquetschten Gurken hatten auf seinem Anzug große Flecken hinterlassen. Es sah nicht schön aus.
»Im Hotel ›Lena‹«, antwortete Shukow ohne Zögern.
»Hui! So vornehm?«
»Die Zentrale bezahlt es.«
»Dafür haben sie Geld, die hohen Genossen!« sagte Jakow bitter. »Ich habe mal im Parteiprogramm gelesen, daß es keine Klassen gibt. Alle Menschen sind gleich. Und wie ist es wirklich? Sie wohnen im ›Lena‹, und ich kann es mir nur von außen angucken! Darf ich Sie einladen?«
»Wohin?«
»In eine richtige Arbeiterkneipe. Sie gehört Marija. Eine tolle Frau. Halb Jakutin, halb Russin. Diese Mischlinge haben Pfeffer im Arsch, das sage ich Ihnen! Marija hat einen Rückstoß, daß selbst ich in die Luft fliege … Es ist immer wieder ein Wunder.«
»Ich kenne diese Mädchen mit asiatischem Blut«, sagte Shukow ruhig. Valja Johannowna Wuginskaja war eine von der besten Sorte gewesen, dachte er. Die flimmernde Hitze mongolischer Wüsten war in ihr, aber auch die gnadenlose Kälte einer im Frost erstarrten Taiga. Ihr Schoß konnte sich weit öffnen, aber mit der Umarmung erdolchte sie einen auch. »Wann und wo treffen wir uns?«
»Ich hole
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