Das Doppelspiel
Cognac, Whisky, Curacao Tripple sec, Orangen-Bitter, Pernod und Zuckersirup braucht, ein voluminöses Morgenhämmerchen. Aber es jagt den Schlaf aus den letzten Körperritzen, das sei auch verraten. »Ich habe es ihm ausgeredet.«
»Danke, Bob –«
»Ob er's glaubt, weiß ich nicht. Als er von Hillmoore wegging, plätscherte ihm der Alkohol bis zur Nasenwurzel. Aber er ging aufrecht wie eine Eins!« Bob begann, den Morning-Hammer zu schütteln und ließ den Shaker in seiner Hand tanzen. »Norma, ehrlich, mein Kind! Du liebst John Barryl, nicht wahr?«
»Du hast kein Recht, so direkt zu fragen.« Sie nahm den Kopf wieder nach vorn und öffnete die Augen.
»Doch, Norma, ich habe das Recht: Ich liebe dich –«
»Red nicht so einen Blödsinn, Bob!« Sie versuchte ein Lächeln, aber es ertrank irgendwie in der Wehmut, die ihr Gesicht seltsam sanft machte. »Wirfst den Shaker fast an die Decke und machst zwischen dem Eisklingeln einen Liebesantrag. Was soll man davon halten?«
»An den Shaker klammere ich mich fest«, sagte Bob plötzlich sehr ernst. »Er hält mich davon ab, zu dir zu stürzen und dich an mich zu reißen. Wenn du wüßtest, welch eine Überwindung das kostet –«
»Ich kann Karate, Bob –«
»Ich auch, Norma.« Er stellte den Shaker auf die Barplatte. »Ich habe dir schon einmal gesagt: Wenn wir zwei zusammentreffen, bringen wir uns aus Liebe um! Wir müßten uns fesseln, um wie normale Menschen zusammen zu schlafen.« Er goß die Coolergläser voll und stellte sie auf ein japanisches Lacktablett, das zur Einrichtung gehörte. »Aber das darf ich ja alles nicht sagen. Die Frauenehre der Genossin Koroljow wird gekränkt.«
»Amerikanische Frauen hören sich das an?«
»Sie ziehen nach dem ersten Satz das Kleid aus. Nach dem zweiten –«
»Bob!«
»Norma, du bist gekommen, um bei mir Nachhilfeunterricht im Sex des Mittelwestens zu nehmen. Wenn dich schon die Theorie umhaut …«
Er stellte das Tablett auf den kleinen Tisch und setzte sich brav Norma gegenüber auf die Couch. Sie blickte ihn nicht an, aber wenn sie die Augen etwas zur Seite drehte, konnte sie in einem Spiegel Bobs muskulösen nackten Oberkörper sehen, die breite, behaarte Brust, auf der man, wie er erzählte, Felssteine mit dem Hammer zertrümmert hatte. Sie hatte es für eine maßlose Übertreibung, für billige Angeberei gehalten; jetzt sah sie die Hälfte seines schönen Körpers und glaubte es ohne Vorbehalt.
»Es kann sein, daß ich plötzlich abkommandiert werde«, sagte sie und schielte seitlich in den Spiegel. Bob spielte mit dem Anhänger, der an einem Goldkettchen um seinen Hals hing.
»Ich denke, du gehörst zum Stammpersonal von Frazertown?«
»Nein. Ich weiß, daß ich in Amerika eingesetzt werde. Drei Genossinnen sind schon abkommandiert –«
Bob Miller lehnte sich zurück. Er atmete tief durch die Nase und wußte, warum sich plötzlich um sein Herz ein feuriger Kranz legte. Bis jetzt hatte er in seinen Funknachrichten Normas Namen noch nicht nach Winniza und Dewjatow gemeldet. Also war Norma auch bei General Orwell unbekannt. Jetzt aber mußte er es tun, und allein dieser Gedanke löste in ihm eine Art Fieber aus.
»Trinken wir darauf, Norma!« sagte er mit belegter Stimme. Er umklammerte sein Glas und nippte nur daran. Der Morning Glory schmeckte ihm wie Zyankali. Genauso muß es sein, wenn ich die für den Notfall mitgebrachte Giftkapsel einmal durchbeißen muß, dachte er. Norma, in unserem Beruf sollte man sich vorher das Herz durch eine Kunststoffpumpe ersetzen lassen. Und das Hirn durch Computerteile.
Sie nahm einen kräftigen Schluck, atmete tief durch und sah ihn wieder mit großen, schwarzen, zwingenden Augen an. »Das ist ein Morgentrunk?« keuchte sie. »O Himmel, was trinkst du dann erst am Abend?«
»Etwas ganz Leichtes, mein Mädchen. In der Nacht verlangt man von mir, daß ich fit bin. Ein müder Mann im Bett einer liebesdurstigen Frau berechtigt zum Mord.«
»Bob!«
Sie sah ihn strafend an. Er nickte, klemmte die Hände zwischen die Knie und wurde einfach nicht damit fertig, daß er Norma noch heute an Dewjatow melden mußte.
»Mir hat keiner gesagt, in allen Lehrgängen nicht, daß ich als Amerikanerin zuerst Erfolg im Bett haben muß, bevor ich Erfolg im Beruf habe.«
»So hart würde ich es nicht ausdrücken, Norma. Und Amerika ist für diese schiefe Moral auch nicht das einzige Land. Im allgemeinen, überall in allen Geschäftsbereichen, erreicht ein hübsches Mädchen
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