Das Doppelspiel
Norma Taylor habe wirklich die Nacht bei einem anderen Mann verbracht. Es war ein Gedanke, den er als Zentnerlast mit sich wegschleppte. Bob Miller wartete, bis er John nicht mehr sehen konnte, und ging dann in sein Schlafzimmer. Da Norma durch die dünne Tür alles mithören konnte, erwartete er als mindeste Reaktion das Heranfliegen der Nachttischlampe.
Aber es geschah nichts. Norma lag in tiefem Schlaf auf dem Bett, den Kopf auf der Seite, die Lippen zu einem kindlichen Schmollmund verzogen.
Bob blieb vor ihr stehen, betrachtete sie eine Weile und genoß das stille Glück, sie mit Blicken streicheln, liebkosen und besitzen zu können. Dann beugte er sich über sie, streifte ihr die Schuhe ab und zögerte, ob er ihr auch die Bluse und die Hose ausziehen sollte. Er unterließ es … er war sich sicher, daß der Anblick ihres entblößten Körpers seine künstliche Zurückhaltung zerbrechen würde.
Vorsichtig zog er ein Laken über Norma und verließ leise das Schlafzimmer. Im Bad warf er seine Hose ab, stellte sich unter die kalte Dusche, wickelte sich in ein Badetuch und legte sich auf die Couch. Er schlief sehr schnell ein und merkte nicht mehr, daß bei einer Drehung das Badetuch von ihm glitt und er nackt, lang ausgestreckt, auf den Polstern lag.
So sah ihn Norma, als sie drei Stunden später aus dem Schlafzimmer kam.
Sie hob das Badetuch auf und breitete es über seine Blöße, beugte sich vorsichtig zu seinem Kopf und hauchte einen Kuß auf seine geschlossenen Lider. Sie vibrierten unter der Berührung ihrer gespitzten Lippen, aber er wachte nicht auf.
»Danke, Wassjuschka«, sagte sie leise. Ihre Zärtlichkeit war wie ein warmer Wind, der über seinen Körper glitt.
Stanislaw Jakowlowitsch Slobin war ein Fachmann, das haben wir schon gesagt. Als Kapitän im III. Nachrichtenbataillon von Winniza kümmerte er sich nur um die wichtigsten Dinge, und wichtig waren seit Wochen die merkwürdigen Kracher und Brummer, die ab und zu seinen Funkverkehr versauten. Seine Deutung, es könnte sich doch um atmosphärische Störungen handeln, wie sie vor allem an heißen Sommertagen auftreten oder nach großen Sonnenexplosionen, wurde immer dünner, je öfter gerade in der letzten Woche das rhythmische Knacken auftrat. Außerdem war die Störung so deutlich und greifbar, als sitze man mitten im Zentrum des elektrischen Feldes.
Kapitän Slobin nahm die Geräusche auf Band auf, hörte sie dann noch einmal in aller Ruhe ab und meldete sich darauf beim Kommandanten der Garnison Winniza. Er legte Wert darauf, sagte er bei seiner telefonischen Anfrage, daß auch der örtliche Chef der politischen Truppenführung zugegen sei.
Slobin machte keine langen Einleitungsworte. Er stellte das Tonbandgerät an und ließ das Krachen und Knacken abspielen. Der Kommandeur, ein Oberst, sah ihn verständnislos an und ertrug mit Würde die Vorführung. Erst, als Slobin glaubte, genug Krachen produziert zu haben, stellte er das Tonband wieder ab.
»Das war's«, sagte er stolz. Der Oberst nickte.
»Haben Sie ein Mikrofon auf der Latrine versteckt gehabt, Stanislaw Jakowlowitsch, und das Furzen eines Bataillons aufgenommen?« fragte er. »Sehr beeindruckend. Aber kaum geeignet für das Armeemuseum, so originell die Idee ist …«
»Genosse Oberst –« Kapitän Slobin blickte flehend zu dem politischen Offizier hinüber, einem Major, der nachdenklich auf das Tonband starrte. »Was ich da aufgezeichnet habe, ist alarmierend!«
»Hat meine Garnison einen Darmkatarrh?«
»Das ist ein Zerhacker, Genosse Oberst«, sagte der politische Offizier ruhig.
»Genau!« rief Kapitän Slobin. »Ein Zerhacker!«
»Genossen, das müssen Sie mir erklären.« Der Oberst sah hilflos vom einen zum anderen. »Ich kann beim besten Willen nicht heraushören, daß da jemand Holz hackt.«
»Es ist eine funktechnische Sache, Genosse Oberst.« Slobin überlegte, wie man einem Laien so etwas mit einfachen Worten deutlich machen konnte. »Da ist ein Sender, der zu unbestimmten Zeiten, aber fast täglich, sendet und Signale empfängt. Um den gesendeten Text – Zahlenreihen oder Wortkombinationen – unkenntlich zu machen, werden die Funksignale deformiert, also zerhackt, so daß nur noch ein Knacken übrigbleibt. Beim Empfänger werden dann über einen Entzerrer die Worte wieder verständlich gemacht. Ein einfacher, aber immer wirksamer Trick. Das alles ist natürlich laienhaft ausgedrückt, Genosse Oberst.«
»Und das haben Sie da aufgenommen, Stanislaw
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