Das Doppelspiel
war, weil er vielleicht überhitzt ins kalte Flußwasser gesprungen war, so erschien das zwar erklärlich, aber doch höchst seltsam. Denn der Bug hatte in diesen Spätsommertagen eine Temperatur von 23 Grad, was man durchaus nicht kalt nennen kann. Die wochenlange Hitze hatte das Wasser konstant aufgeheizt. Gordejews Herzversagen mußte also auch einen organischen Grund haben.
Die Obduktion nahm Dr. William Ford, der Kapitänsarzt Afanasj Petrowitsch Dronow, vor. Er schnitt den armen Fulton vom Brustbein bis zum Schambein der Länge nach auf und räumte ihn total aus. In zwei langen Zinkwannen ordnete er dann die Innereien und begann mit der pathologischen Untersuchung. Eines war zunächst völlig sicher: Fulton war ertrunken! In seinen Lungen war Wasser, und Ertrinken ist bekanntlich ein Erstickungstod.
»Haken wir das ab, Genosse General«, sagte Dr. Dronow. Sinjonew, der vom Seziertisch drei Meter entfernt an der Kachelwand saß, nickte. Ihn quälte eine leichte, kaum unterdrückbare Übelkeit. Tote hatte er im Krieg genug gesehen, auch die grauenvollsten Granatsplitterverletzungen, und kein Kriegstoter sieht schön oder erhaben aus, wie man es auch heute noch in Heldenliedern und patriotischen Reden hört. Aber etwas anderes ist es, dabei zu sitzen und zusehen zu müssen, wie man einen guten Freund auf einem blanken Tisch von oben bis unten aufschneidet und alles aus ihm herausholt. Kein ästhetischer Anblick, das muß man sagen. Und auch an den Geruch kann man sich schwerlich gewöhnen; eine Wasserleiche ist von inneren Gasen aufgetrieben, und wenn man ihr den Bauch öffnet, zischt es laut. Genossen, ein Arzt muß starke Nerven haben. General Sinjonew starrte Dr. Dronow etwas bleich an und blickte dann schnell weg, als Afanasj Petrowitsch begann, die Lungen zu sortieren, die großen Gefäßsysteme zu präparieren und das Herz des armen Gordejew schichtweise aufzutrennen. Wenn Dronow an die Därme ging, das beschloß Sinjonew im stillen, wollte er den Raum verlassen. Keiner konnte ihm das übelnehmen.
»Also ertrunken ist er?« fragte Sinjonew heiser.
»Einwandfrei! Er muß es geahnt haben, denn er hielt sich ja noch am unteren Motorgestänge fest und ist mit der Schläfe dagegen geschlagen, anscheinend in dem verzweifelten Versuch, sich noch hochzuziehen. Am Schläfenbein rechts ist eine leichte Rötung. Ohne Bedeutung.«
»Armer Gawril Saweliwitsch«, sagte Sinjonew leise.
»Das kann man sagen. Sein Herz war kerngesund! Die Kranzgefäße waren voll durchblutet, keinerlei Ablagerungen in den großen Gefäßen, also auch kein Grund zu einem plötzlichen Druckabfall. Ich bin gespannt, was das Gehirn uns zu bieten hat …«
Sinjonew schielte zu Dr. Dronow hinüber. »Sie wollen das Hirn herausnehmen?«
»Muß ich doch bei einer Totalobduktion.«
»Und wie?«
»Ich meißele ihm die Hirnschale auf. Ein schönes Klappdeckelchen konstruiere ich …«
»Afanasj Petrowitsch, Sie sind ein Sadist!« Sinjonew wurde es jetzt so übel, daß er aufsprang und zur Tür ging. Dronow grinste ihm nach. Vor einer Armee haben sie keine Angst, die Generälchen, aber vor einem aufgeschlitzten Toten gehen sie in die Knie. Eine verrückte Welt.
»Geben Sie mir den Bericht schriftlich herein, so genau wie möglich«, sagte Sinjonew an der Tür. »Wann kann das sein?«
»Morgen früh, Herr Bürgermeister.«
Sinjonew nickte, warf noch einen schnellen Blick auf Gordejews aufgeschlitzten Leib und empfand ein mächtiges Drängen nach frischer Luft, Sonne, blauem Himmel und blühenden Blumen. Fast fluchtartig verließ er den Sezierraum.
Dr. Dronow wühlte in den Instrumenten und suchte alles für eine Schädeltrepanation zusammen. Um Sterilität der Instrumente brauchte er sich hier nicht mehr zu kümmern.
Dagegen wurde die Polizei munter. Der Bootsverleiher mußte die Namen aller Personen angeben, die an diesem Tag ein Motorboot geliehen hatten, und drei Polizisten verhörten eindringlich die braven Bürger von Frazertown. Auch Bob Miller kam natürlich in den Sog, aber er hatte das beste Alibi von allen Silver-River-Fahrern.
»Als Fulton ertrunken sein muß, war ich längst bei Billy im Restaurant«, sagte er höflich, was bei der Polizei immer einen guten Eindruck hinterläßt. Ein Polizist ist sehr sensibel … wer immer nur Bulle genannt wird, ist dem zutiefst dankbar, der ein bißchen Ehrfurcht vor dem schweren Amt des Ordnungshüters auf den Lippen und im Gesicht trägt. Bob Miller war ein Paradefall. Er gewann das Herz
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