Das Doppelspiel
der Polizisten mit unterdrücktem Charme.
»Fragen Sie Norma Taylor«, sagte er hilfsbereit, was durchaus nicht selbstverständlich war, denn viele der Verhörten waren zutiefst beleidigt, daß man sie überhaupt verhörte. Als ob man für Fultons Ertrinken verantwortlich war! »Außerdem war Billys Hamburger-Paradies ziemlich voll. Es müssen schätzungsweise vierzig Gäste drin gewesen sein. Sie alle können bezeugen, daß ich schon so früh vom Silver River zurückgekommen bin, daß ich unmöglich –«
Die Polizei sah das ein. Wer an Normas Theke sitzt, kann auf dem Fluß nichts beobachtet haben. Und vorher?
»Vorher war ich allein und wollte angeln.« Bob Miller tat etwas, was man bei der Polizei sonst nicht tut und was jedem übelgenommen wird. Er fragte die Polizisten. Verhörte haben nur zu antworten, das bildet den natürlichen Abstand zur Gerechtigkeit. »Wann hat Fulton denn sein Boot gemietet? Man muß die Zeit doch wissen. Ist doch eingetragen im Verleihjournal.«
Die Polizisten blickten in ihre Papiere. Man nahm Bob die Frage nicht übel, ein Beweis, wie gut er gelitten war. »Eingetragen ist 10 Uhr 30.« Der Polizeileutnant blickte hoch. »Wieso?«
»Dann muß ich Fulton, ohne darauf zu achten, am Ufer begegnet sein, denn um 10 Uhr 43 betrat ich Billys Restaurant –«
»Das wissen Sie so genau, Mister Miller?«
»Aber ja. Ich guckte auf die Uhr und sagte zu mir: Wie spät ist es? Jetzt beginnt der schönste Teil des Sonntags. Ich kann auf Normas Busen blicken. – Ist das kein Grund, sich die Uhrzeit zu merken?«
Die Polizisten lachten und verabschiedeten sich von Bob Miller wie von einem lieben Freund. Bob verließ mit großer Erleichterung die Polizeistation. Draußen atmete er ein paarmal kräftig durch, um seinen inneren Überdruck loszuwerden. Er hatte geblufft und wieder gewonnen. Er war von der Überlegung ausgegangen, daß der Bootsverleiher – als guter Russe – nur mangelhaft Buch führte, nicht aus Faulheit, sondern weil er allen Verdienst wöchentlich abführen mußte. Was in Frazertown verdient wurde, war ja Staatsgeld. Es waren Spielmarken, die ernstgenommen wurden, in den Umlauf kamen und – wenn sie irgendwo sich häuften – abgeliefert werden mußten. Trotzdem gab es immer wieder einige Genossen, die sich die guten Dollars zur Seite legten, obgleich sie wußten, daß sie am Ende doch alles abgeben würden … aber es war der Reiz des Verbotenen, der in jedem Menschen steckende Genuß des Geldverdienens und Geldhortens. Warum sollte der Bootsverleiher, der übrigens ein Kapitän aus Swerdlowsk war und als Sibirier ganz besonders am Geld hing, eine Ausnahme sein?
Bobs Rechnung ging auf. Als man nach dem Unglücksfall die Bücher verlangte, hatte der Bootsverleiher in aller Eile die ›vergessenen‹ Boote nachgetragen und einfach Zeiten nach seinem Gutdünken eingetragen. So war es möglich, daß Fulton sich offiziell zu einer Zeit ein Boot geliehen hatte, als er schon längst ertrunken am Motorgestänge hing.
Es war klar, daß die polizeilichen Verhöre sich totliefen. Nichts kam dabei heraus, nur zwei Genossen fühlten sich unbehaglich, denn sie mußten erzählen, daß sie von Fulton, dem Boot und überhaupt, was auf dem Fluß geschehen war, nichts gesehen hatten. Sie lagen auf dem Boden ihrer Kähne und trieben einen schweißtreibenden sonntäglichen Frühsport mit ihren bestimmt entzückenden Begleiterinnen. Aber wer erzählt so etwas gern, und dann noch für ein polizeiliches Protokoll?
Am nächsten Morgen lag Dr. Dronows Obduktionsbefund vor.
Auch Fulton-Gordejews Hirnmasse zeigte keinerlei Veränderungen, keinen noch so kleinen Apoplexia cerebrim, keinerlei Anzeichen eines primär unblutigen Insults. Auch traumatische Spätschäden waren nicht auszumachen. Fultons Ertrinkungstod blieb rätselhaft; es mußte ein plötzlicher Schocktod gewesen sein. Seltsam war, daß für einen Schock keine Anhaltspunkte nachweisbar waren.
»Man könnte Gordejew noch nach Moskau schicken, um dort eingehende serologische und hirnpathologische Untersuchungen vorzunehmen«, schlug Dr. Dronow am Ende seines Berichtes vor. »Die Möglichkeiten einer Sectio legalis sind hier natürlich beschränkt auf den allgemeinen objektiven Befund.«
»Weniger Latein wäre besser«, knurrte Sinjonew. Er schaute die Fotos von Fultons aufgebrochenem Körper und Schädel, die Dronow gemacht und die man in der Nacht noch entwickelt und vergrößert hatte, gar nicht erst an, sondern schrieb auf den
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