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Das doppelte Lottchen

Das doppelte Lottchen

Titel: Das doppelte Lottchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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›Und ich hab’ dieses Kind für scheu gehalten!‹ denkt Fräulein Gerlach. ›0 je, war ich blöd!‹
    Nach kurzer Zeit taucht Lotte mit Kaffee, Zucker und Sahne auf, schenkt – ganz Hausfrau – ein, fragt, ob Zucker gefällig sei, schiebt dem Besuch die Sahne hin, setzt sich dann neben ihren Vati und meint freundlich lächelnd: »Ich trink’ zur Gesellschaft einen Schluck mit.«
    Der Paps schenkt ihr Kaffee ein und fragt chevaleresk: »Wieviel Sahne, meine Dame?«
    Das Kind kichert. »Halb und halb, mein Herr.«
    »Bitte sehr, meine Dame!«
    »Vielen Dank, mein Herr!«
    Man trinkt. Man schweigt. Schließlich eröffnet Lotte die Unterhaltung. »Ich war eben bei Herrn Gabele.«
    »Hat er dich gezeichnet?« fragt der Vater.
    »Nur ein bißchen«, meint das Kind. Noch einen Schluck Kaffee –
    dann fügt es harmlos hinzu: »Er hat zu wenig Licht. Vor allem brauchte er welches von oben. So wie hier…«
    »Dann soll er sich halt ein Atelier mit Oberlicht mieten«, bemerkt der Herr Kapellmeister sehr treffend und ahnt nicht, daß er genau dahin steuert, wohin Lotte ihn haben will.
    »Das hab’ ich ihm auch schon gesagt«, erklärt sie ruhig. »Aber sie sind alle vermietet, die Ateliers.«
    ›So ein kleines Biest!‹ denkt Fräulein Gerlach. Denn sie, auch eine Tochter Evas, weiß nun schon, was das Kind im Schilde führt.
    Und richtig…
    »Zum Komponieren braucht man eigentlich kein Oberlicht, Vati. Nicht?«
    »Nein, eigentlich nicht.«
    Das Kind holt tief Atem, blickt angestrengt auf sein Kleid und fragt, als fiele ihm diese Frage eben erst ein: »Wenn du nun mit Herrn Gabele tauschtest, Vati?« Gott sei Dank, jetzt ist es heraus!
    Lotte blickt den Papa von schräg unten an. Ihre Augen bitten furchtsam.
    Der Vater schaut halb ärgerlich, halb belustigt von dem kleinen Mädchen zu der eleganten Dame, die gerade noch Zeit hat, ein sanft ironisches Lächeln in ihr Gesicht zu zaubern.
    »Dann hätte der Herr Gabele ein Atelier«, sagt das Kind, und die Stimme zittert ein wenig. »Mit so viel Licht, wie er braucht. Und du wohntest direkt neben uns. Neben Resi und mir.« Lottes Augen liegen, wenn man sich so ausdrücken darf, vor des Vaters Blick auf den Knien. »Dann bist du allein, genau wie hier. Und wenn du nicht allein sein willst, kommst du bloß über den Flur und bist da. Du brauchst nicht einmal einen Hut aufzusetzen. – Und mittags können wir daheim essen. – Wenn das Essen fertig ist, klingeln wir dreimal an deiner Tür. – Wir kochen immer, was du willst. – Auch Geselchtes. – Und wenn du Klavier spielst, hören wir’s durch die Wand…« Die Kinderstimme klingt immer zögernder. Sie erstirbt.
    Fräulein Gerlach steht abrupt auf. Sie muß schnellstens heim.
    Wie die Zeit vergeht! Es waren ja aber auch sooo interessante Gespräche!
    Herr Palffy bringt seinen Gast hinaus. Er küßt die duftende Frauenhand. »Auf heut abend also«, sagt er.
    »Vielleicht hast du keine Zeit?«
    »Wieso, Liebling?«
    Sie lächelt. »Vielleicht ziehst du gerade um!«
    Er lacht.
    »Lach nicht zu früh! Wie ich deine Tochter kenne, hat sie bereits die Möbelpacker bestellt!« Wütend rauscht die Dame treppab.
    Als der Kapellmeister ins Atelier zurückkommt, ist Lotte schon dabei, das Kaffeegeschirr abzuwaschen. Er schlägt ein paar Takte auf dem Flügel an. Er geht mit großen Schritten in dem Raum auf und ab. Er starrt auf die bekritzelten Partiturseiten.
    Lotte gibt sich große Mühe, nicht mit den Tellern und Tassen zu klappern. – Als sie alles abgetrocknet und in den Schrank zurückgestellt hat, setzt sie ihr Hütchen auf und geht leise zu Herrn Palffy hinüber.
    »Grüß Gott, Vati…«
    »Grüß Gott.«
    »Kommst du zum Abendessen?«
    »Nein, heute nicht.«
    Das Kind nickt langsam und hält ihm zum Abschied schüchtern die Hand hin.
    »Hör, Luise – ich hab’s nicht gern, wenn sich andere Leute für mich den Kopf zerbrechen, auch meine Tochter nicht! Ich weiß selber, was für mich am besten ist.«
    »Natürlich, Vati«, sagt sie ruhig und leise. Noch immer hält sie die Hand zum Abschied ausgestreckt.
    Er drückt sie schließlich doch und sieht dabei, daß dem Kind Tränen an den Wimpern hängen.
    Ein Vater muß streng sein können. Also tut er, als sähe er nichts Auffälliges, sondern nickt nur kurz und setzt sich an den Flügel.
    Lotte geht schnell zur Tür, öffnet sie behutsam – und ist verschwunden.
    Der Herr Kapellmeister fährt sich durchs Haar. Kindertränen, auch das noch! Dabei soll man nun eine

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