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Das Dorf der Katzen

Das Dorf der Katzen

Titel: Das Dorf der Katzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Fritz
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musste sie keiner wecken, denn alles war real und doch gleichzeitig so irreal. 
    Sie traten durch die Türe, die so niedrig war, dass sogar Vera den Kopf ein wenig einziehen musste.
    Durch die kleinen Lukenfenster und die halb offene Türe fiel nur wenig Tageslicht in den einzigen Raum, der beherrscht wurde von einer monströsen Apparatur.
    Vom Boden aus erhob sich ein runder, etwa hüfthoher Sockel, aus Stein gehauen und mit einem Durchmesser von ungefähr zwei Metern. Seine freie Oberseite war nicht plan, sondern mit einer konkaven Vertiefung versehen. In dieser Vertiefung stand aufrecht ein mächtiges Mühlrad, ebenfalls aus Stein und mit einem Durchmesser von etwa eineinhalb Metern.
    Als Achse für das Rad diente ein langer, grob behauener Balken, auf den es gesetzt war und um den es sich drehen konnte. Dieser Balken steckte fest in einem weiteren Balken, der wiederum in der Mitte des Sockels in einem Zapfenlager drehbar gelagert war und nach oben strebte. Oben wurde dieser senkrechte Balken mit einem stabilen Zapfen an einem der Deckenbalken gegengelagert.
    Der Achsbalken, auf dem das Mühlrad lief, war beidseitig weit über den Umfang des Sockels hinaus verlängert.
    Die Anordnung war einfach und effizient: Durch die langen Hebelarme des Achsbalkens konnte der Mühlstein entlang der Vertiefung und damit im Kreis herum gerollt werden. Alles, was sich in der Vertiefung befand, wurde somit zerquetscht und zermahlen.
    Der Antrieb konnte wohl durch einen oder zwei Menschen oder ein Tier, zum Beispiel einen Esel erfolgen.
    Die Apparatur war eine große, archaische Mühle.
    Ioannis deutete darauf. „Das war bis vor kurzem unsere Ölmühle. Jetzt ist es die Glasmühle.“
    Vera stocherte sich demonstrativ mit dem kleinen Finger im Ohr. „Habe ich richtig gehört?“, fragte sie dann. „Glasmühle?“
    „Ja“, antwortete Ioannis, „den Grund wirst du noch erfahren. Komm jetzt weiter, die Wissenden erwarten uns.“
    „Wissende?“ Was war das jetzt wieder? Vera kam sich allmählich vor wie Alice im Wunderland.
    Ioannis war in eine Ecke des Raums getreten. Dort, wo es am finstersten war, konnte Vera gerade noch eine hölzerne Klappe am Boden erkennen.
    Ioannis hob sie hoch und eine Art Kellertreppe wurde sichtbar. Schwaches Licht drang von unten herauf. „Der Versammlungssaal ist unterirdisch“, erklärte er, dann stieg er hinab. Er sah sich nicht um, er wusste, dass Vera ihm folgen würde.
    Die Stufen führten gerade und ziemlich steil einige Meter tief in den Untergrund und endeten in einem schmalen, aber hohen Gang oder Flur, der durch ein paar nackte Glühbirnen spärlich beleuchtet wurde.
    Am Ende des Flures war eine Metalltür mit massiver Zarge. Ein auffallender Kontrast zu der dürftigen Holztüre oben.
    Ioannis drückte die Klinke und zog an der Tür, die lautlos aufschwang. Er trat zur Seite, um Vera vorzulassen.
    „Willkommen bei uns Wissenden“, sagte er.
    Vera ging durch die Tür und blieb gebannt stehen.
    Der Raum hinter der Tür maß etwa fünfundzwanzig, vielleicht auch dreißig Meter im Quadrat und war deutlich über zwei Meter hoch. Acht schlanke Stahlsäulen stützten die Decke ab.
    Der Boden bestand aus einfachem trockenen Sand und sah peinlich sauber aus. Die Wände waren mit weißen Tüchern verhängt, hinter denen unsichtbare Lichtquellen für ein angenehmes indirektes Licht sorgten. Es war keinerlei Mobiliar vorhanden.
    Die Luft wirkte kühl und sauber, trotz der fast zweihundert Menschen, die sich in teils liegender, teils sitzender und teils stehender Haltung in dem Raum aufhielten.
    Es waren Männer und Frauen, die meisten im Alter von etwa zwanzig bis fünfzig Jahren, aber Vera konnte auch ein paar Kinder und alte Menschen erkennen.
    Vera registrierte, dass den sitzenden und stehenden Menschen teilweise noch Sand am Rücken klebte, sie also wohl bis vor kurzem auch auf dem Boden gelegen hatten.
    Die meisten machten einen erschöpften Eindruck, aber auch eine gewisse grimmige Entschlossenheit war in vielen Augen zu sehen.
    Ioannis trat auf den Mann zu, der ihnen am nächsten stand. Es war ein freundlich dreinblickender Mann Anfang fünfzig. Auffallend waren sein hünenhafter Körperbau, sein extremer Kurzhaarschnitt und seine aufrechte, straffe Körperhaltung.
    „Bastets Gruß, Trevor“, sagte Ioannis auf Englisch und schüttelte dem Mann die Hand.
    „Bastets Gruß zurück, Ioannis“, antwortete der Riese mit überraschend weicher Stimme. „Wen hast du uns da mitgebracht? Ist

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