Das Dorf der Katzen
erklären. Der nächste Angriff wird bald kommen, das ist sicher, und bis dahin musst du informationsmäßig ausreichend versorgt sein.“
Er gab ihr einen liebevollen Kuss.
„Komm, gehen wir zu mir“, sagte er dann. „Für heute ist Feierabend.“
Langsam gingen sie in Richtung Dorfzentrum, Gizmo immer in der Nähe.
Wie ein Schatten eben.
ΦΦ ΦΦ
Wenn er allein sein wollte, zum Nachdenken und zum Vervollkommnen seiner Pläne, kam N’gahar meistens ins Allerheiligste der Anlage.
In das Herz des unterirdischen Komplexes, in die Keimzelle, um welche herum alles andere im Laufe der Jahrhunderte gewachsen war: in den Tempel der Sachmet.
Wer bereits andere Zeremonialräume des Palasts in ihrer dezenten Pracht kannte und daher von dem Zentralraum der ganzen Tempelstadt eine überschwängliche Ausstattung erwartete, wurde herb enttäuscht.
Zwar war der Haupttempel der größte Raum in dem Höhlensystem, ein regelrechter Felsendom mit einer Ausdehnung von sechzig Metern im Quadrat und einer Höhe von fast fünfundzwanzig Meter, aber gleichzeitig war er überraschend schmucklos, fast karg ausgestattet.
Den einzigen Luxus stellte ein aufwendiger Mosaikboden aus verschiedenfarbigen Kieseln dar, die ein kompliziertes abstraktes Muster bildeten.
Mittig im Raum erhob sich ein hüfthohes Podest aus poliertem schwarzem Stein mit einer Grundfläche von vier mal vier Metern. Ein kompliziertes System aus Spiegeln vermochte bei Bedarf die Stelle, wo das Podest stand, mit von der Oberfläche herabgeleitetem Sonnenlicht zu beleuchten.
Eine Abteilung der Na’aar war dann dafür zuständig, die Hauptspiegel der wandernden Sonne nachzuführen.
Auf dem Podest stand eine acht Meter hohe Kolossalstatue einer Frau. Sie war kunstvoll aus weißem Marmor gearbeitet und in echte, kostbare Gewänder aus golddurchwirkten Stoffen gekleidet.
In der linken Hand trug sie das Zeichen des Anch, ein Kreuz mit einem Ring und in der rechten Hand das Was-Zepter.
Am auffälligsten war der Kopf. Es war der Kopf einer Löwin mit einer Scheibe auf dem Scheitel, die auf den ersten Blick an einen Heiligenschein aus christlichen Bilddarstellungen erinnerte. Um die Scheibe wand sich eine Schlange, die uralte, tödliche Uräusschlange.
Der Blick des Löwenkopfes war stolz und geradeaus ins Nichts gerichtet. Die Haltung des Körpers kerzengerade und hoheitlich.
Sachmet.
Sachmet, die Mächtige, die löwenköpfige Kriegsgöttin.
Die Bekämpferin der Dämonen.
Sachmet, die mit Pfeilen die Herzen der Feinde durchbohrt, die mit der Glut des Feuers wüten kann.
Sachmet, die die Krankheiten und Seuchen schickt.
Sachmet, die unberechenbare, starke und mutige Schwester der Bastet. Immer bereit, ihren Löwenmut unter Beweis zu stellen, aggressiv, nur mit Opfergaben und Gebeten zu besänftigen. So wurde sie hier gefürchtet und verehrt.
Und damit verkannt.
Dafür hatte N’gahar gesorgt. Schon vor fast zwei Jahrhunderten hatte er systematisch damit begonnen, das Bild zu verändern, das Sachmet in den Köpfen und Herzen der Menschen hervorrief.
N’gahar entstammte einem uralten Priestergeschlecht. Sein Vater und seine Vorväter hatten dem zunehmenden Verfall des Sachmet-Kultes ohnmächtig zusehen müssen.
Schon in jungen Jahren hatte N’gahar sich daher seine eigenen Gedanken über seine Göttin und seine Stellung zu ihr gemacht. Es waren zunehmend revolutionäre Gedanken gewesen, voller Blasphemie, aber N’gahar hatte nichts zu befürchten: Er war zuletzt der einzige verbliebene Priester gewesen, es gab niemanden, der ihn zur Rechenschaft hätte ziehen können.
Er war wochen- und monatelang durch die Räume und Höhlen der Tempelanlage gestreift, hatte sich durch halb verschüttete Gänge in Räume vorgearbeitet, die Jahrhunderte lang niemand mehr betreten hatte.
Er hatte uralte Schriften auf mürbem Pergament und Papyrus gefunden, verstaubt und vergessen, in denen sagenhaftes Wissen, Magie in höchster Vollendung festgehalten war. Schließlich hatte er dann den Turut-mar, das Planetarium, entdeckt und Jahre mit der Enträtselung seines Geheimnisses verbracht.
Endlich hatte sich ihm die Bedeutung erschlossen und er hatte die einzigartige, nur alle 1996 Jahre wiederkehrende Gelegenheit erkannt, die sich ihm bot. Schon vor mehr als zweihundert Jahren war es ihm gelungen, Sachmet einen Pakt abzuringen, der ihm Alterslosigkeit gewährte. N’gahar hatte im Alter von achtundvierzig Jahren aufgehört zu altern. Dafür hatte er
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