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Das Dorf der Katzen

Das Dorf der Katzen

Titel: Das Dorf der Katzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Fritz
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den Felsendom, der eine beeindruckende Naturakustik hatte, so dass N’gahars Stimme auch im entferntesten Winkel deutlich vernehmbar gewesen wäre, hätte es dort einen Zuhörer gegeben. Aber außer ihm und den acht war niemand in dieser Halle.
    „Meine Diener!“, tönte seine Stimme. „Ich habe euch heute hierher befohlen, weil es Zeit wird, euch in das letzte Geheimnis der Löwin einzuweihen! Ihr habt mir und damit der Löwin die Dienerschaft, Hingabe und Treue geschworen.
    Ich habe euch intensiv auf den heutigen Tag und die noch folgenden Tage vorbereitet.
    Ihr seid ungeachtet eures tatsächlichen Alters jung und stark und ich weiß, dass ihr die Löwin nicht enttäuschen werdet.
    Nun hört mich an, und seht auf die Zeichen hier.“ Er deutete auf die Symbole zu seinen Füssen. „Ihr wisst, was die Löwengöttin von mir und euch, was sie von uns will!“
    Die Priester lauschten aufmerksam. Sie alle waren zum ersten Mal im Turut-mar und zeigten sich beeindruckt von diesem Ort.
    Sie spürten, das N’gahar heute mit ihnen etwas Besonderes vorhatte: Es war schon Jahre her, dass er sie alle gemeinsam gerufen hatte.
    Außerdem fanden die Treffen bisher immer im Cheram-dir, dem Versammlungsraum statt. Dieses antike Planetarium mit seinen Respekt einflößenden Dimensionen war neu für sie.
    „Seht die Zeichen“, sagte N’gahar noch einmal. „Seit fast zweitausend Jahren sprechen sie davon, und sie hatten recht. Sie haben verkündet, dass die große Aneinanderreihung der Planeten erfolgen wird, und nun ist sie erfolgt. Sie verkündeten auch die Ankunft des Kometen und seht: er ist gekommen!“
    Nun wurde den Dienern langsam klar, was es mit diesem mystischen Ort auf sich hatte: Er stand irgendwie im Zusammenhang mit den Geschehnissen draußen am Himmel und dem Willen der Löwin.
    Einige Diener nickten zustimmend.
    Die seltene, große Konjunktion von Mars, Venus, Jupiter und Saturn hatte vor zwei Tagen ihren Höhepunkt erreicht. Die vier Planeten standen scheinbar so nahe beieinander, dass sie sogar am Tag als ein heller Punkt tief am Südhimmel zu sehen waren.
    Der Durchzug des Kometen durch das Sonnensystem war zwar nicht so spektakulär, aber ein wichtiges Thema in diesen Tagen, das in den Medien immer wieder angesprochen wurde.
    Die Priester lebten zwar meistens weltfern, aber nicht weltfremd: Fernsehen und andere Medien gehörten durchaus zu ihrem Leben.
    Es schien so, dass ihr Meister schon lange vor den modernen Astronomen dieses Ereignis vorhergesehen hatte.
    Vorhergesehen dank des Turut-mar.
    „Ihr alle kennt die Prophezeiung?“ Das war mehr eine Feststellung, als eine Frage. Natürlich kannten sie alle die magischen Worte. Sie waren mit ihnen aufgewachsen, kannten sie im Schlaf:
     
    In einer neuen Zeit
    Wo die Sterne sich verdecken
    Und ein zweiter Mond erscheint
    Wird die Löwin verschlingen die Katze
     
    Erheben werden sich
    Die staubgeborenen Bestien
    Sie werden kommen aus der Nacht
    Und Neun wird sein ihre Zahl
     
    Sie werden verheeren die Insel der Katze
    Ihren Ort und ihren Tempel
    Und die Löwin wird eins mit ihrem Ursprung
    Und lässt die Katze zurück
     
    Erhöht werden ihre Diener
    Mit der Herrschaft der Erde
    Die sie sich machen untertan
    Der Löwin zu Ehren
     
    Unheimlich und dumpf klang die aus acht Kehlen gemurmelte Prophezeiung durch den Turut-mar.
    Die Männer wussten um die Bedeutung: War die Sternenkonstellation erfüllt, und sie erfüllte sich nur alle 1996 Jahre, dann würde ihre Göttin, die Löwin, zurückkehren aus der Einsamkeit, in die sie vor etwa 1700 Jahren gestoßen worden war.
    Sie würde ihre Schwester, die Katze, aus der zu entstehen sie gezwungen worden war, besiegen und alleine zurückkehren in ihre gemeinsame Abstammung.
    Sachmet.
    Aus Bastet, der sanften Katze, hervorgegangen zur Verkörperung von Krieg, Gewalt und Kampf. Die Menschen hatten es nicht mehr verstanden, die zwei Wesen in Tefnut als Einheit zu verehren.
    Es hatte sie gestört, dass eine Göttin zwei konträre Wesen hatte: die Sanftmut und die Aggressivität. So schufen und verehrten sie Bastet und zwangen Sachmet, aus Bastet hervorzugehen und eine eigene Existenz zu haben.
    Sie war die Schwester und ein Klon von Bastet.
    Auch verehrt, aber mehr aus Furcht und Respekt. Die Menschen fürchteten sie, sie besänftigten sie mit Gebeten und Opfern.
    Sie war die Kriegerin, die den Heeren im Streitwagen vorausfuhr und den Speer schwang.
    Sie brachte Tod und Krieg. Fast wurde darüber vergessen, dass sie

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