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Das Dorf der Mörder

Das Dorf der Mörder

Titel: Das Dorf der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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den Linoleumboden, der so weit oben, im zweiten Stock unterm Dach, noch nicht in die Finger der Vandalen gelangt und vor langer Zeit vielleicht einmal beige oder hellbraun gewesen war. Er befand sich auf einer winzigen Galerie, von der nur eine Tür abging. Sie war geschlossen. Doch hinter ihr musste sich ein Körper befinden, ein schwerer, großer, stark blutender Körper. Jeremy warf einen schnellen Blick über das Geländer hinunter ins Treppenhaus. Niemand war ihm gefolgt. Sein Puls raste. Er wusste nicht, was sich hinter dieser Tür befand, aber er ahnte es. Ein letztes Mal wählte er Caras Nummer.
    Die ersten Takte waren so nah, dass er zusammenzuckte. Er bemerkte, dass auch diese Tür verzogen war und nicht mehr ganz geschlossen werden konnte. Er stieß sie auf und sah Cara in der Ecke sitzen, die Beine angezogen, das Gesicht hinter den Armen verborgen. In der anderen Ecke lag der riesige Kadaver eines Hundes. Es stank wie ein Fischmarkt in der Sonne.
    »Cara!«
    Jeremy ging vorsichtig auf sie zu. Er berührte ihre Arme, doch sie schüttelte ihn ab und verkroch sich noch tiefer in sich selbst. Fliegen schwirrten im Raum herum. Ein schneller Blick auf den Kadaver bestätigte ihm, dass man dem Hund die Kehle aufgeschlitzt und ihn langsam hatte verbluten lassen. Der Würgereiz in Jeremys Kehle war so stark, dass er zum Fenster lief, es aufriss und in tiefen Zügen die Luft in seine Lunge sog. Einige Fliegen taumelten, satt, schwer und schillernd, an ihm vorbei ins Freie.
    »Cara, was ist passiert?«
    Sie merkte, dass er nicht mehr in ihrer Nähe war, und lockerte ihre Haltung etwas. Der tote Hund musste sie zutiefst schockiert, ja, geradezu aus den Angeln gehoben haben.
    »Bruno«, flüsterte sie tonlos. Ihre Augen waren tränennass, ihr Mund zusammengepresst, ihr ganzer Körper in Angst erstarrt. »Bruno ist tot.«
    »Ist er das?« Überflüssige Frage. Aber Jeremy wollte Cara zum Sprechen bringen. Sie musste reagieren, kommunizieren, sie durfte nicht in diesem Gefängnis aus Starre, Schock und Grauen bleiben. »Ich bin da. Cara, ich bin bei dir. Steh auf. Das ist widerlich hier. Wir müssen weg.«
    Sie schüttelte den Kopf. Als ihr Blick auf den toten Hund traf, schauderte sie zusammen und verkroch sich noch mehr in der Ecke. Die Situation lief aus dem Ruder. Aus einem kleinen Ausflug aufs Land begann sich gerade eine Horrorgeschichte zu entwickeln. Langsam ging er auf sie zu, um sie nicht noch mehr zu erschrecken, und beugte sich zu ihr herab.
    »Wer macht so was?« Sie schluchzte. »Er ist so alt. Uralt. Er kann doch gar nicht mehr. Man sagt, die Hunde leben hier länger als die Menschen.«
    »Es ist nicht der Bruno, den du kanntest. Es ist ein anderer.«
    »Und das macht es weniger schrecklich?«
    Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht und sah sich um, als ob sie gerade aus einem bösen Traum erwachen würde. »Das hier war mein Kinderzimmer. Oh Gott. Und dann liegt Bruno hier drin. Da, wo Charlies Bett gestanden hat. Und darüber war ihr Bücherregal. Wackelig und viel zu beladen mit lauter Wälzern. Manchmal kam er mit uns hoch und hat sich auf den Flickenteppich gelegt.«
    Abgetretene Holzdielen, das grafische Tapetenmuster der siebziger Jahre. Zeit verlor ihre Bedeutung, wurde durchei nandergewirbelt und zu einem Mosaik neu zusammengesetzt, das Jeremy, der Außenstehende, nicht mehr erkannte. Wo war sie gerade? Bei Bruno, dem ersten, dem Beschützer der Kinder von Wendisch Bruch? Oder schon wieder in der Gegenwart, die ihn umso mehr erschreckte, je mehr er sie mit ihr teilte.
    »Hier bin ich groß geworden. Mit Charlie und Bruno.«
    »Warum hattest du kein eigenes Zimmer?«
    »Ich wollte keins. Charlie … Charlie hat auf mich aufgepasst und ich auf sie. Das war die Abmachung. Aber jetzt … ich war nicht da, als es passiert ist. Ich konnte ihr nicht mehr helfen. Und ihm auch nicht. Was passiert hier? Was geht hier vor? Ist das eine gottverdammte Scheiße!«
    Sie war wieder da. Die wütende Cara gefiel ihm viel besser als die verzweifelte. Auffordernd hielt sie ihm die Hand hin. Er ergriff sie und zog sie hoch. Einen Moment stand sie so nah bei ihm, dass er sich kaum noch beherrschen konnte, sie nicht in den Arm zu nehmen. Er hatte das Gefühl, Caras Leben war ein Kaleidoskop aus Scherben. Welche Arbeit. Welche Verzweiflung. Welcher Mut, sich diesen Ängsten immer wieder zu stellen.
    »Vor was haben Charlie und Bruno dich beschützt? Als sie ausgezogen ist, was geschah dann? Wer war dann an deiner

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