Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Dorf der Mörder

Das Dorf der Mörder

Titel: Das Dorf der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
Vom Netzwerk:
würde.
    Er schluckte seine Wut hinunter. Das Stallgebäude war noch heruntergekommener als das Haus. Die Tür quietschte in ihren rostigen Angeln. Im Inneren hingen schwarz verrußte, gewaltige Spinnennetze in den Ecken. Die schmutzverkrusteten Fenster schienen das wenige Tageslicht eher abzuhalten als durchzulassen. Noch einmal zog Gehring die Waffe, doch er ahnte, dass auch hier niemand war, der ihm gefährlich werden konnte.
    »Hallo? Ist da jemand?«
    Seine Stimme hallte von den schlecht verputzten Wänden zurück, auf deren Vorsprüngen sich der Dreck von Jahrzehnten gesammelt zu haben schien. Es stank nach altem Futter, Heu und etwas widerlich Vergorenem, das er nicht deuten konnte.
    Er suchte einen Lichtschalter, fand ihn und wusste, noch bevor er ihn betätigte, dass er nicht funktionieren würde. Dann durchquerte er den länglichen Raum bis zur Hälfte, drehte sich ein paarmal um die eigene Achse und blieb resigniert stehen. Seine Enttäuschung war grenzenlos. Er fühlte sich, als ob ihn jemand zum Narren halten würde, ihn bewusst in die falsche Richtung geschickt hätte. Wie naiv war er eigentlich gewesen? Hatte er erwartet, Beara gefesselt und geknebelt auf dem Präsentierteller vorzufinden? Vor Wut hätte er am liebsten an die Wand getreten. Die Zeit lief ihm davon. Wenn seine Kollegin noch lebte, dann befand sie sich an einem Ort, der zwanzig Jahre lang von niemandem entdeckt worden war. Und das auf einem Hof, der für jeden, der es wollte, offen stand. Es musste ein Versteck geben, das nur einer kannte. Das so gut verborgen war, dass es kein anderer gefunden hatte.
    Wo bist du, verdammt nochmal, dachte er. Du warst hier. Ich weiß es.
    »Frau Beara!«, rief er. »Sind Sie hier?«
    Er würde jeden Winkel von Wendisch Bruch mit eigenen Händen von unten nach oben kehren. Aber er musste warten, bis Verstärkung eintraf. Das Jaulen der Sirene wurde lauter, wahrscheinlich kam der Krankenwagen von Jüterbog und erreichte gerade den entgegengesetzten Ortseingang. Er griff nach seinem Handy und wollte Frau Schwab stellvertretend für alles, was gerade schieflief, verantwortlich machen, als ihm etwas auffiel.
    Der hintere Teil des Raumes war etwas abgesenkt. Statt Beton bestand der Boden aus tiefergelegten Holzbohlen. Er ging darauf zu und trat mit dem Fuß kräftig auf. Es klang hohl.
    »Beara?«
    In diesem Moment preschte ein Auto in den Hof. Kleine Steine spritzten weg, als es eine Vollbremsung hinlegte. Gehring erkannte durch das weit geöffnete Stalltor nur eine Staubwolke. Er hob die Waffe, drückte sich an die Wand in den Schatten und wartete. Türen wurden geöffnet und zugeschlagen, Schritte knirschten über den brüchigen Beton. Blaues Licht rotierte, warf seinen Schein auch durch das Tor in den Stall. Langsam ließ Gehring die Waffe sinken.
    »Hallo?« Bellende Stimme, gewohnt durchzugreifen. »Polizei. Ist da jemand?«
    Gehring steckte die Waffe weg und trat ins Licht. Vor dem Stall standen zwei Männer in Uniform. Er erkannte den roten Adler Brandenburgs auf dem Dienstabzeichen. Er wandte sich an den Mann, der mit drei Sternen auf der Schulterklappe der Ranghöhere der beiden war. »Gehring, Kripo Berlin«, stellte er sich kurz vor und zeigte seinen Ausweis.
    »Prahm, Revierposten Jüterbog. Freut mich, Herr Gehring. Ihre Kollegin, Frau Schwab, hat uns informiert. Vermisste Person in Lebensgefahr?«
    Prahm war ein Mann von mittlerer Statur mit einem dunkelblonden Schnurrbart, der seinem länglichen Gesicht trotz aller Strenge etwas Gutmütiges verlieh. Sein Kollege war wesentlich jünger. Das Mützenband kennzeichnete ihn als Anwärter für den mittleren Dienst im zweiten Ausbildungsjahr. Er hatte ein rundes Gesicht mit dicht bewimperten, dunklen Augen, die noch erstaunt in die Welt sahen, und einen weichen Händedruck. Beides, diesen warmen, mitfühlenden Blick und den laschen Griff seiner Finger, würde er noch vor dem Ende des dritten Jahres verlieren. Gehring nickte den Männern knapp zu und trat einen Schritt zur Seite, um ihnen den Blick auf den Stall freizumachen.
    »Eine Kollegin aus Berlin. Ich brauche Ihre Hilfe. Und Werkzeug. Wir müssen Bodenbretter aushebeln.«
    »Wird gemacht.«
    Mit einem Kopfnicken gab Prahm dem anderen ein Zeichen, sich unverzüglich in Bewegung zu setzen. Keine Spurensicherung, kein SEK . Zwei Dorfpolizisten. Gehring bemühte sich, sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen.
    »Wann kommen die anderen?«
    »Welche anderen?«, fragte Prahms Kollege und

Weitere Kostenlose Bücher