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Das Dorf der Mörder

Das Dorf der Mörder

Titel: Das Dorf der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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irgendwo eine Werkstatt?«
    Die Frau schüttelte den Kopf.
    »Nein. Schon lange nicht mehr.«
    »Dann muss ich ihn abschleppen lassen. Gibt es hier jemanden, der das macht?«
    »Schon lange nicht mehr.«
    Sanela lächelte verstehend. »Verstehe. Es ist ein bisschen einsam hier, nicht?«
    Die Frau gab keine Antwort, verschränkte aber die Arme vor ihrer üppigen Brust und schien nichts dagegen zu haben, wenn dies nun das Ende der Unterhaltung gewesen wäre. Auch Bruno richtete sich wieder zu seiner vollen Größe auf und schien bereit, sich auf Kommando wieder in eine Bestie zu verwandeln.
    »Kann ich bei Ihnen etwas zu trinken bekommen? Es ist so heiß.«
    »Nein. Schon lange nicht mehr.«
    Die Frau drehte sich um und wollte zu ihrer Wäsche zurück.
    »Ich bezahle auch«, sagte Sanela schnell und wollte einen Schritt machen. Das leise Grollen aus Brunos Kehle hielt sie davon ab. »Es tut mir leid, wenn ich Sie störe. Aber das ist ein Notfall. Sie waren doch mal ein Gasthaus. Also, ich meine, das hier war doch mal so was in der Richtung.«
    »Schon lange nicht mehr.«
    »Ja«, erwiderte Sanela etwas gereizt. »Aber bis der Abschleppdienst hier ist, vergehen mindestens zwei Stunden. Bis dahin bin ich tot.«
    »Na, nun übertreiben Sie mal nicht.«
    »Ein Glas Wasser? Bitte. Ich helfe Ihnen auch bei der Wäsche.«
    Die Frau schüttelte ärgerlich den Kopf und lief in einem seltsam wiegenden Gang auf den Hintereingang des Hauses zu.
    »Kommen Sie rein«, warf sie Sanela über die Schulter zu. Bruno stand immer noch im Weg.
    »Du hast es gehört«, zischte Sanela. »Also lass mich durch.«
    Bruno senkte den Kopf und trottete zurück zu der Bettwäsche.
    Das Innere des Hauses war dunkel, kühl und feucht. Ein kleiner Flur mit abgetretenen Steinfliesen führte in die Küche, die nach der Schließung des Gasthauses offenbar nicht mehr renoviert worden war. Einfache, schlichte Wandschränke in Pastellblau und ein großer Tisch in der Mitte mit einer lange nicht abgewischten Wachsdecke, an dem sich wohl das ge samte, nicht sehr aufregende Leben abspielte, machten sie wohnlich. Die Frau schob Lesebrille, Kartoffeln, Supermarkt- und Gartencenterprospekte und eine Menge Rechnungen zur Seite und bot Sanela einen Stuhl an.
    »Danke«, sagte sie und setzte sich. »Leben Sie allein hier?«
    »Warum wollen Sie das wissen?«
    Die ehemalige Wirtin ließ sie nicht aus den Augen, während sie ein Glas aus dem Hängeschrank holte und Wasser hineinlaufen ließ.
    »Das Dorf kommt mir vor wie ausgestorben.«
    »Das ist es auch bald. Wir sind die letzten acht.«
    Sie stellte das Glas vor Sanela ab.
    »Hier wohnen nur noch acht Leute?«
    »Ja.«
    »Das ist ja gruselig.«
    Erst denken, dann reden. Sanela entging nicht, wie das Gesicht der Frau sich bei ihren letzten Worten wieder verschlossen hatte.
    »Alleine das Einkaufen, meine ich. Wieso leben nur noch so wenige hier?«
    »Schauen Sie sich doch um. Wer kommt denn freiwillig in diese gottverlassene Gegend?«
    »Ich.«
    »Weil Ihr Auto den Geist aufgegeben hat. Ab und zu kommen entkräftete Radfahrer vorbei, die ihre Karten nicht richtig lesen konnten. Aber sonst ist das eins der Dörfer, die in ein paar Jahren vom Erdboden verschwunden sind.«
    »Das war doch nicht immer so. In Ihrem Gasthaus haben doch Leute gegessen und getrunken. Es gab einen Bäcker, einen Fleischer.«
    »Einen Konsum, eine Grundschule, eine LPG , mehrere Höfe, und wenn Sie Wendisch Bruch wieder verlassen, kommen Sie an der Feldsteinkirche vorbei. Aber der letzte Pfarrer, den wir hatten, ist vor ein paar Jahren in Rente. Und ein neuer kommt nicht für acht Schäfchen. Obwohl ich das in der Bibel mal anders gelesen habe.«
    »Was hat denn diesen Exodus verursacht?«
    Ihre unfreiwillige Gastgeberin ging ans Fenster. Sie sah in den Garten, wo ein leichter, sanfter Wind die Bettlaken blähte wie Segel. »Keine Kinder.«
    »Oh. Schade.« Sanela trank die Hälfte ihres Wassers und überlegte, wie lange sie mit dem Rest haushalten konnte, bevor sie wieder hinausgeworfen wurde in die Gluthitze und die Einsamkeit, vor der selbst der liebe Gott kapituliert hatte. »Schade um das schöne Haus. Es gefällt mir.«
    »Wollen Sie es kaufen?«
    »Würden Sie es denn hergeben?«
    Die Frau drehte sich um und schlurfte zu Sanela an den Tisch. Mit einem leisen Stöhnen setzte sie sich. »Lieber heute als morgen. Aber hier zieht doch keiner mehr her. Letztes Jahr haben sie sogar die Buslinie eingestellt.«
    »Haben Sie kein

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