Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Dorf der verschwundenen Kinder

Das Dorf der verschwundenen Kinder

Titel: Das Dorf der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
Vom Netzwerk:
einzige Form von Verhütung, die ein gutes katholisches Mädchen benutzen sollte. Sie sprach ein kurzes Gebet für Pascoes Tochter, stand dann auf und betrachtete sich im Spiegel.
    Sie sah abgekämpft aus, urteilte sie. Na, und wenn schon! Selbst eine abgekämpfte Polizistin wäre neben den unscheinbaren Sozialamts-Heimchen eine strahlende Erscheinung!
    Es war beinahe ein Schock, um neun Uhr einer großen, schlanken Frau in einem Gucci-ähnlichen Kostüm gegenüberzustehen.
    Und sie selbst war für die Leiterin des Sozialamts ganz offensichtlich eine herbe Enttäuschung.
    »Ich hatte Chief Inspector Pascoe erwartet«, sagte Ms. Plowright.
    Und dich auf ihn gefreut, dachte Novello. Den Anblick eines schmucken Polizisten.
    »Er konnte nicht kommen«, erwiderte sie und erklärte den Grund.
    »O Gott, wie furchtbar«, sagte Ms. Plowright, und ihre Anteilnahme war so überzeugend, daß sie damit sicherlich viele Antragsteller beruhigte, die sich anfangs von ihrem Äußeren hatten einschüchtern lassen. Sie machte sich ein paar Notizen und kam dann nüchtern und geschäftsmäßig zur Sache.
    »Also, wie kann ich Ihnen helfen? Wie mir ausgerichtet wurde, geht es um Mrs. Lightfoot aus Dendale.«
    Novello erklärte die Angelegenheit. Sie dachte, sie sei gleichermaßen nüchtern und geschäftsmäßig gewesen, aber als sie geendet hatte, sagte Ms. Plowright: »Und Sie halten es für Zeitverschwendung?«
    Mist, dachte Novello. In dieser Hinsicht mußte sie noch an sich arbeiten. Ms. Plowrights Arbeit erforderte, wie ihre eigene, auch eine Sensibilität gegenüber dem Ungesagten, und diese hatte offenbar mehr Erfahrung darin.
    Sie versuchte, es als Mißverständnis darzustellen. »Tut mir leid, ich kann mir vorstellen, wie beschäftigt Sie sind …«
    »Eine Verschwendung Ihrer Zeit, nicht meiner«, erwiderte Ms. Plowright lächelnd und zog ein goldenes Zigarettenetui hervor, das sie Novello entgegenhielt. Novello schüttelte den Kopf. Rauchen war eine Form der Weiblichkeitstarnung, der sie hartnäckig widerstanden hatte. Ms. Plowright zündete sich ohne die heutzutage fast obligatorische Frage nach Zustimmung eine Zigarette an. Nun, es war ja ihr Büro.
    »Aber Peter, Chief Inspector Pascoe, hielt es vermutlich nicht für Zeitverschwendung«, fuhr sie fort.
    »Mr. Pascoe ist ein sehr gründlicher Mensch.« Novello war entschlossen, wieder Boden zu gewinnen. »Er will jeder Möglichkeit nachgehen, egal, wie unwahrscheinlich sie ist. Also, können Sie mir helfen, Ms. Plowright?«
    »Nennen Sie mich Jeannie«, sagte sie. »Ja, ich glaube, das kann ich. Es ist lange her, aber glücklicherweise neigen wir dazu, unsere Akten zu horten. Ich bekam mit Agnes zu tun, also Mrs. Lightfoot, nachdem sie sich genug von ihrem Schlaganfall erholt hatte, um aus dem Krankenhaus entlassen zu werden. Damals war es zwar noch nicht so schlimm um das nationale Gesundheitswesen bestellt, aber schon da nahm die Zahl der freien Betten beständig ab. Die Krankenhausleiter waren besonders erpicht darauf, alte und gebrechliche Langzeitpatienten loszuwerden.«
    »Dann mußte Agnes also nicht weiter behandelt werden?«
    »Sie mußte gepflegt werden«, sagte Ms. Plowright. »Auf keinen Fall konnte sie sich selbst versorgen. Geistig war sie wieder voll auf der Höhe, aber sie konnte nicht ohne Hilfe gehen und ihren linken Arm und die Hand nur eingeschränkt gebrauchen. Eine Verbesserung dieses Zustands wurde nicht erwartet, also wandte sich das Krankenhaus an uns. Unsere Aufgabe …
meine
Aufgabe war es, entweder einen Platz im Pflegeheim für sie zu finden oder ein Familienmitglied, das bereit wäre, sich um sie zu kümmern. Letzteres schien nicht wahrscheinlich.«
    »Warum?«
    »Weil ihr Sohn tot war und ihre Schwiegertochter wieder geheiratet hatte und nach Australien ausgewandert war. Und ihr nächster Anverwandter war Benny, von dem niemand wußte, wo er sich aufhielt, aber ich nehme doch an, das wissen Sie alles.«
    »Was geschah dann?« fragte Novello, die den Seitenhieb ignorierte.
    »Ich machte mich dran, einen Platz in einem unserer Vertragspflegeheime zu finden. Agnes stellte sich quer. Es mußten Formulare ausgefüllt und Details überprüft werden, all die üblichen bürokratischen Maßnahmen. Sie weigerte sich schlichtweg, irgendwelche Fragen zu beantworten oder irgendwo zu unterschreiben. Und dann tauchte ihre Nichte auf.«
    »Wie kam das zustande?«
    »Ich war in Agnes’ Papieren auf ihren Namen und die Adresse gestoßen. Eine ihrer

Weitere Kostenlose Bücher