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Das Dorf der verschwundenen Kinder

Das Dorf der verschwundenen Kinder

Titel: Das Dorf der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Arbeit vor Vergnügen?«
    »Bei dieser Arbeit, ja«, erwiderte er düster. »Sie haben jemanden verhaftet. Nur zum Verhör, nichts Definitives, aber ich muß hin. Tut mir leid.«
    »Natürlich mußt du gehen«, sagte sie. »Andy …«
    Sie zögerte. Sie hatte damit gerechnet, vor dem Abschied mehr Zeit für Verhandlungen über eine mögliches späteres Treffen zu haben. Sie hatte sich noch nicht entschieden, wie sie die Sache angehen sollte, aber jetzt war keine Zeit für Spielchen.
    »Andy, es gibt noch viel zu sagen«, fuhr sie fort. »Versprich, daß du mich anrufst. Oder noch besser: komm vorbei. Du weißt, ich habe immer reichlich Tofu im Kühlschrank.«
    Diese Anspielung auf ihren vegetarischen Speiseplan ließ ihn schmunzeln.
    »Abgemacht«, sagte er. »Bis dann.«
    Er eilte hinaus und ließ vermutlich zum ersten Mal in seinem Leben ein unangetastetes Bier auf dem Tisch zurück.
    Sie zog es zu sich herüber und nahm einen Schluck.
    Kein Abgrund überbrückt, dachte sie. Aber eine Brücke begonnen, auch wenn sie erst einmal nur aus Pontons bestand, die sich in Wellen und Gezeiten hoben und senkten und einen riskanten Übergang von einer Seite zur anderen versprachen.

Vierzehn
    D as erste Tor, das Pascoe am Krankenhaus erreichte, trug das Schild: »Nur Ausgang«.
    Pascoe wendete und brauste die Auffahrt zum aufragenden grauen Gebäude hinauf.
    Neben dem Haupteingang war ein freier Parkplatz mit dem Schild »Direktor«. Pascoe scherte knapp vor einem rückwärtsfahrenden Jaguar SJS dort ein. Er stieg aus, knallte die Tür zu und rannte los. Durch das geöffnete Fahrerfenster des Jaguar rief ein Mann erbost: »He Sie! Das ist mein Parkplatz.«
    »Scheiß drauf«, rief Pascoe über die Schulter, ohne sein Tempo zu drosseln.
    Da er schon mal hiergewesen war, kannte er sich gut aus. Er ließ den Lift links liegen und rannte die Treppen bis zum dritten Stock hinauf. Es kostete ihn keine Mühe. Er keuchte nicht einmal, so als hätte sein Körper das Bedürfnis zu atmen eingestellt. Am Ende der Kinderstation war ein Wartezimmer. Durch die geöffnete Tür sah er Ellie. Er trat ein, und sie fiel ihm in die Arme.
    »Wie geht es ihr?«
    »Sie machen ein paar Tests. Sie sagen, es könnte Hirnhautentzündung sein.«
    »O Gott! Wo ist sie?«
    »Erste Tür links, aber sie sagen, wir sollen warten, bis sie uns sagen …«
    »Bis sie uns was sagen? Daß es zu spät ist?«
    »Peter, bitte. Derek und Jill sind auch hier …«
    Jetzt erst bemerkte er die Purlingstones, die sich auf dem Sofa umklammerten. Der Mann versuchte zu lächeln, doch es wollte nicht recht gelingen.
    Pascoe versuchte es gar nicht erst.
    Er löste sich aus Ellies Umarmung und ging aus dem Wartezimmer geradewegs durch die erste Tür links.
    Es war ein kleines Krankenzimmer mit nur zwei Betten. In dem einen sah er den Blondschopf der kleinen Zandra Purlingstone.
    Im anderen lag Rosie.
    Ein Haufen Ärzte und Schwestern stand herum. Ohne sie zu beachten, ging Pascoe zum Bett und nahm die Hand seiner Tochter.
    »Rosie, Liebes«, sagte er. »Daddy ist hier. Ich bin hier, mein Liebling. Ich bin hier.«
    Für den Bruchteil einer Sekunde schien es ihm, als würden die dunklen Wimpern zucken und die dunklen, fast schwarzen Augen im Wiedererkennen aufleuchten. Dann waren sie wieder ruhig, und nichts deutete darauf hin, daß Rosie überhaupt atmete.
    Jemand nahm ihn am Arm. Eine Stimme sagte: »Bitte, Sie müssen gehen. Sie müssen draußen warten. Bitte, lassen Sie uns unsere Arbeit tun.«
    Dann sagte Ellies Stimme: »Komm mit, Peter. Um Rosies willen, komm mit.«
    Er war wieder im Korridor. Die Tür wurde geschlossen. Seine Tochter verschwand aus seinem Blickfeld.
    Er sagte zu Ellie: »Sie hat mich erkannt. Wirklich, das hat sie. Nur eine Sekunde lang. Sie weiß, daß ich hier bin. Sie wird wieder gesund.«
    »Ja«, sagte Ellie. »Natürlich wird sie das.«
    Zwei Männer kamen den Gang entlang. Der eine trug die Uniform des Sicherheitsdienstes, der andere einen elegant geschnittenen, leichten Leinenanzug.
    Der Anzug sagte: »Das ist der Kerl. Ganz schön frech, Sie!«
    Die Uniform sagte: »Entschuldigen Sie, Sir, aber Mr. Lillyhowe sagt, Sie haben Ihren Wagen auf seinem reservierten Parkplatz abgestellt.«
    Pascoe sah die beiden eine ganze Weile mit ausdruckslosem Gesicht an, dann sagte er langsam: »Ich bin mir nicht sicher …«
    »Tja, ich bin mir absolut sicher«, bellte der Anzug. »Das waren Sie. Und Sie haben mich beleidigt …«
    »Nein«, erwiderte Pascoe

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