Das Dorf in der Marsch
würde.«
Folglich hatte nicht Böhner gegenüber Gaultier geplaudert und Bärbel Lattmanns Vermutung, sie wären bei ihrem Liebesspiel von Wychzek beobachtet worden, war auch falsch. Witte war der Informant gewesen. Und Gaultier war skrupellos genug, die Situation auszunutzen. Wer seine HIV -Infektion verschweigt, scheut auch nicht vor solchen Schritten zurück.
»Und warum haben Sie erst Böhner und dann Witte getötet?«
»Günter!« Es war ein Entsetzensschrei, den Bärbel Lattmann ausstieÃ.
Wychzek klopfte sich mit der Faust gegen die Brust.
»Haben Sie eine Vorstellung, wie es hier drinnen aussieht? Was die Schweine mir angetan haben?«
Bärbel Lattmann stellte sich hinter den Sessel, legte ihre linke Hand auf seine Schulter und streichelte mit der anderen seine Wange.
»Das ist doch alles nicht so schlimm«, sagte sie einfühlsam.
Mit einer Handbewegung wischte er ihre Annäherung beiseite.
»Hau ab. Verflixte Heuchlerin. Du hattest nichts Eiligeres zu tun, als mit Gaultier ins Bett zu hüpfen.«
»Wie haben Sie die beiden getötet?«, fragte Christoph. Er vermied es, von »Mord« zu sprechen.
Wychzek seufzte.
»Ich war hinter Böhner her und wollte ihn auf frischer Tat erwischen. Also bin ich hinten rum, nicht über die StraÃe, sondern im Schatten vom Knick, der teilweise die Wiese von den bebauten Grundstücken trennt. Ich sah, wie Böhner aus seiner Kate herauskam und, sich nach allen Seiten umsehend, zu Wittes Werkstatt schlich. Ich lieà ihm einen kleinen Vorsprung. Als ich kam, hatte er die Tür bereits geöffnet. Vermutlich hatte er sich bei seinen Handlangerdiensten den Schlüssel besorgt. âºWas machst du hier?â¹, habe ich ihn angeschrien. Böhner hatte freie Bahn, weil niemand von der Familie im Hause war. Er stammelte herum. âºHat Witte dich bestellt?â¹, fragte ich. Der Idiot verneinte. Er konnte mir keinen plausiblen Grund nennen. Mir war klar, dass er auf Diebestour war.«
Wychzeks Blick wanderte weiter zu Bärbel Lattmann, die sich etwas abseits hingestellt hatte.
»Hol mir mal einen Schnaps«, sagte er. »Plötzlich wollte Böhner mich angreifen. Der Hänfling.« Er lachte bitter auf. »Ich war rasend vor Zorn. Der alte Spinner hatte mit seiner Tratscherei alles versaut. Ich griff ein Werkzeug von einer Lochplatte und schlug zu.«
»Wie oft?«, fragte Christoph in sachlichem Ton.
»Keine Ahnung. Ich war wie von Sinnen. Immer drauf auf ihn. Bäng. Bäng. Bäng.« Wychzek untermalte die Schilderung dadurch, dass er mit der flachen Hand auf die Sessellehne schlug.
Bärbel Lattmann kehrte mit einem Stamper zurück, in den sie eine klare Flüssigkeit gefüllt hatte. Sie zitterte so stark, dass sie einen Teil verschüttete.
Wychzek setzte das Glas an und stürzte den Inhalt hinunter. Er gab ein lautes »Ahh« von sich, reichte ihr das Glas zurück und befahl: »Noch einen.«
»Als ich diese widerwärtige Kreatur vor mir liegen sah und überall das Blut floss, empfand ich nicht einmal Mitleid. Ich war zu sehr von einem plötzlich aufkommenden Rachegefühl beseelt. Dabei hatte ich nicht mitbekommen, dass Witte zurückgekehrt war. Auch er war blutverschmiert. Ich dachte zuerst, das wäre Böhners Blut. Aber irgendwie muss Witte sich woanders etwas eingefangen haben. Er starrte mit weit aufgerissenen Augen auf den toten Böhner, dann auf mich. âºWas hast du gemacht, Wychzek?â¹, schrie er. Ich wollte es ihm erklären, wollte ihm sagen, dass ich es auch für ihn getan habe. SchlieÃlich war Böhner bei Witte eingebrochen. Aber der Kerl hörte mir nicht zu. âºDafür kriegst du lebenslänglichâ¹, brüllte er. Es war ein Reflex, dass ich zuschlug. Ich hatte immer noch die Rohrzange in der Hand.« Wychzek zeigte auf seine linke Schläfe. »Hier habe ich ihn erwischt.«
»Sie sind Rechtshänder?«, fragte Christoph.
Wychzek nickte. Dann konnte es zutreffen, dass er Witte an der linken Seite getroffen hatte, überlegte Christoph.
Der Mann stürzte den zweiten Schnaps hinunter, den Bärbel Lattmann gebracht hatte. Dabei schüttelte er sich.
»Witte, die Memme, fiel um wie eine gefällte Eiche. Auch er war tot.«
»Woher wussten Sie das?«, fragte Christoph.
Wychzek stockte. »Das habe ich gesehen. Er hat sich schlieÃlich nicht mehr
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