Das Dorf in der Marsch
Ausflug in die Energiepolitik. »Wir möchten gern wissen, wer Böhner ermordet hat.«
Wychzek kniff die Lippen zusammen, dass sie nur noch einen schmalen Strich bildeten. »Was ist das für ein Kaff! Der eine Dorfganove wird ermordet. Der andere verschwindet spurlos.«
»Mit dem anderen Ganoven meinst du aber nicht Witte?« Bärbel Lattmann war anzumerken, dass ihr Wychzeks Wortwahl nicht gefiel.
»Wen sonst? Soll ich sagen, dass es auf alle Everschoopköger zutrifft? Dabei haben wir unerwähnt gelassen, dass Witte sich auch an kleine Kinder herangemacht hat. Iiigiit.«
»Wer hat das behauptet?«, meldete sich GroÃe Jäger zu Wort.
»Ist doch egal.«
Der Oberkommissar klopfte mit den Knöcheln auf die Tischplatte.
»Das ist nicht egal. Wie sagt man bei Ihnen im Ruhrgebiet? Nun aber Butter bei die Fische.«
Erstaunen zeigte sich auf Wychzeks Gesicht. Er fragte aber nicht nach, woher GroÃe Jäger den Slang kannte.
»Los. Ich möchte eine Antwort«, blieb der Oberkommissar hartnäckig.
Mit einer minimalen Geste zeigte der Mann auf seine Partnerin. »Sie hat das gesagt.«
Bärbel Lattmann fühlte sich sichtlich unbehaglich, als sie von allen angesehen wurde.
»Die Matuschka hat mir das erzählt«, druckste sie herum.
Christoph war immer wieder erstaunt, welche Ausprägungen der Begriff »Dorfgemeinschaft« zeigte. Offenbar reduzierte er sich darauf, schlechte Nachricht weiterzutragen. Dass in den kleinen Dörfern nichts geheim blieb, hatte zwei Seiten. Die negative zeigte sich an diesem Beispiel. Es gab auch das Positive, dass niemand unfreiwillig isoliert blieb, kaum jemand aus der sozialen Gemeinschaft ausgeschlossen wurde, selbst wenn es Sonderlinge wie Böhner, Gaultier und der stets mit unflätigen Formulierungen um sich werfende Biesterfeldt waren. Sicher gehörte auch eine lebende Dorfzeitung wie Mariechen Reimers dazu.
»Ist da etwas dran an dem Gerücht? Ich meine mit Witte und den Kindern?« Wychzek klang neugierig. Wenn er sich auch über die sogenannten »Einheimischen« mokierte, hatte er sich zumindest in diesem Punkt ihre Gewohnheiten angeeignet.
GroÃe Jäger rückte an Wychzek heran.
»Um wie viel haben Sie Ihr Konto überzogen?«
Zunächst öffnete sich der Mund einen Spalt, dann schloss Wychzek ihn wieder. »Was soll das heiÃen? Das muss ich doch nicht erzählen, oder?«
GroÃe Jäger klopfte ihm kumpelhaft auf die Handfläche.
»Nein. Das bleibt Ihr Geheimnis. Und wir reden nicht über den Stand unserer Ermittlungen. Sie müssen aber erzählen, wann Sie Böhner das letzte Mal gesehen haben.«
Wychzek zog die Stirn kraus. »Das weià ich nicht so genau. Es ist schon eine Weile her. Es gibt hier keine Promeniermeile oder ein Shoppingcenter, in dem man sich begegnet. Ich habe ihn früher einmal erwischt, wie er ums Haus rumgeschlichen ist. Da habe ich ihm klargemacht, dass er sich hier kein zweites Mal sehen lassen soll. Sonst droht ihm Ungemach.«
»Und diese Drohung haben Sie wahrgemacht?«, fragte GroÃe Jäger.
»Bin ich verrückt? An so einem Dreckfink mache ich mir nicht die Hände schmutzig. Meine Ermahnung damals hat Wirkung gezeigt.«
GroÃe Jäger lächelte versonnen. Das schien Wychzek zu irritieren.
»Offensichtlich hat sich Böhner das nicht zu Herzen genommen. Sonst hätte er nicht Ihre Post stibitzt.«
»Die kann er auch dem Briefträger gestohlen haben.«
»Kaum«, widersprach der Oberkommissar. »Die Post wird mit dem Auto ausgeliefert. Wissen Sie, mit wem Böhner Umgang pflegte? Hatte er Freunde? Angehörige? Hat ihn jemand besucht?«
»Uns interessierte der Mann nicht«, erklärte Wychzek mit fester Stimme.
»Gesine Witte hat ihm manchmal etwas zugesteckt«, mischte sich Bärbel Lattmann ein. »Und Michel Witte hat ihn gelegentlich mit Handlangerdiensten beschäftigt. Mal dies, mal jenes.«
GroÃe Jäger tat, als müsse er angestrengt überlegen, was er noch fragen könnte. Christoph lächelte innerlich. Dieses Verhalten signalisierte dem Gegenüber, dass er mit seinem Latein am Ende sei. Die Konzentration lieà dann gewöhnlich nach, man nahm den Oberkommissar nicht mehr ernst. So schlichen sich Fehler ein. Christoph hatte oft Gelegenheit gehabt zu beobachten, wie diese Methode zum Erfolg führte. Er sah an der
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