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Das Dorf in der Marsch

Das Dorf in der Marsch

Titel: Das Dorf in der Marsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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lässt. So wirkte es, als wäre er gegen alles.«
    Dem Bürgermeister war sein ehrliches Bemühen zum Nachteil geworden, dachte Christoph. Sein Bestreben, für die Bewohner des Dorfes das Optimum zu erzielen, verkehrte sich ins Gegenteil. Er konnte es niemandem recht machen.
    Â»Es könnte aber auch eine Auseinandersetzung zwischen den rivalisierenden Gruppen im Dorf gewesen sein, zwischen den sogenannten Einheimischen und den Zugezogenen«, sagte Christoph laut. »Als Bürgermeister sollte Witte doch über den Dingen gestanden haben. Wie heißt es nach einer Wahl oft so schön? Ich bin der Ortsvorsteher für alle Bürger.«
    Christoph erläuterte dem Oberkommissar seine Idee, dass Witte sich mit seiner unbeholfenen Art Feinde gemacht haben könnte.
    Große Jäger ließ den Kopf kreisen, als würde er eine gymnastische Übung absolvieren. »Denen hier traue ich mittlerweile alles zu. Im Fermenter verschwinden lassen und die Überreste als Wirtschaftsdünger auf die Felder ausbringen. Nennt man es die Saat der Gewalt ?«
    Christoph knuffte seinem Kollegen in die Seite.
    Â»Du hast heute aber die Jacke mit den schwarzen Gedanken übergestreift.«
    Große Jäger grinste. »Nur heute?«

ZWEIUNDZWANZIG
    Sie machten sich noch mal auf den Weg zu Roger Gaultier. Der Kunstmaler zeigte sich wenig erfreut, als die Polizei erneut bei ihm auftauchte. Er war grau im Gesicht. Dunkle Ringe umrahmten seine Augen. Die Wangen waren eingefallen. Wie gut, dachte Christoph, dass Große Jäger den Mann nicht danach fragte, ob er die letzte Nacht durchgesumpft hatte. Mit der linken Hand hielt sich Gaultier am Türrahmen fest, die rechte lag auf der Türklinke. Es wirkte so, als würde er sich abstützen.
    Â»Ich will nicht mit Ihnen reden.« Die Stimme klang müde.
    Â»Das ist kein Wunschkonzert«, sagte Große Jäger ohne ein Wort der Begrüßung. »Wollen wir eine Stehparty veranstalten? Halten Sie das in Ihrem Alter noch durch?«
    Gaultiers Augen flatterten nervös. Er trat einen Schritt zur Seite und gab den Weg ins Haus frei.
    Das Atelier sah aus, als hätte es jemand durchwühlt und alles irgendwo hingeworfen.
    Â»Gab es einen ungebetenen Besucher?«, fragte Große Jäger. »Sie haben Glück gehabt, dass der die Farbe nicht ausgekippt oder über Ihre Bilder gegossen hat. Andererseits …« Er legte eine Kunstpause ein. »Die Bilder hätten danach sicher auch nicht anders ausgesehen. Kennen Sie den Fall, dass in Schweden die Akademie der Künste zusammen mit der Kulturredaktion der angesehensten Tageszeitung einen Wettbewerb für die sogenannte neue Malerei ausgerufen hat? Preisträger sollte ein Fünfjähriger werden, dessen Mutter aus Spaß ein Bild des Sohnes eingereicht hatte. Ich verstehe – zugegeben – nichts von Malerei, aber sind Sie schon über dieses Stadium hinaus? Oder ist das noch ein embryonaler Zustand? Ich meine – in der künstlerischen Entwicklung. Ihr Liebesleben scheint hingegen in die Phase der Senilität einzumünden.«
    Gaultier öffnete den Mund, als müsse er nach Luft schnappen. Der Oberkommissar stoppte ihn mit einer Handbewegung.
    Â»Gleich dürfen Sie reden. Darum bitten wir sogar.«
    Â»Ihre Denke ist nie über die Dekadenz der Bourgeoisie hinausgekommen.« Gaultiers Worte kamen langsam über die Lippen. Die Stimme klang brüchig. »Sie ächten Menschen, die HIV -positiv sind. An Aids Erkrankte wollen Sie auf eine Art Leprainsel wegsperren.«
    Â»Nein«, mischte sich Christoph ein, »aber wir erwarten, dass Menschen mit HIV verantwortungsvoll damit umgehen. Dazu gehört, dass andere keinen Risiken ausgesetzt werden, zumindest nicht unwissend, sonst ergeben sich strafrechtliche Konsequenzen. Gehen Sie davon aus, dass gegen Sie ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird.«
    Wenn es möglich war, wurde das fahle Gesicht noch blasser.
    Â»Wollen Sie mich in den Dreck ziehen? Mich in aller Öffentlichkeit bloßstellen?«
    Â»Die Entscheidung darüber treffen nicht wir beide«, erwiderte Christoph. »Die Verantwortung dafür, wie sich die Dinge entwickelt haben, lag bei Ihnen. Haben Sie jemals darüber nachgedacht, wie sich die Frauen fühlen, mit denen Sie ungeschützten Verkehr hatten? Die Sie möglicherweise angesteckt haben? Die ihrerseits wiederum unwissend andere mit in diesen

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