Das Dorn-Projekt: Der frühe Homanx-Zyklus, Bd. 3
Hochebene von Mediterrania am Sichtfenster der Transportkapsel vorbei. Für die Thranx war dies tiefster Urwald, die letzte Region auf ihrer Heimatwelt, die die meisten ihrer Geheimnisse des Lebens noch nicht preisgegeben hatte. Menschliche Gastibrscher, die sich dort bequem in Hemd und Hose bewegen konnten, verfassten wertvolle Bericht über Fauna und Flora und leiteten ihre Forschungsergebnisse an ihre Thranx-Kollegen weiter, die Atemschutzgerät und Spezialkleidung benötigt hätten, um in dieser kühlen und wenig sauerstoffreichen Umgebung überleben zu können. So wie menschliche Wissenschaftler Hivehoms letzten Urwald erforschten, taten es die Thranx-Forscher tief im Amazonas-Gebiet und im Kongo. Die Allianz der Wissenschaft festigte sich im Gegensatz zur offiziellen Diplomatie immer mehr durch den Austausch von Daten und Erkenntnissen.
Während Fanielle und Jeremy unter Hochgeschwindigkeit von Hafen zu Hafen pendelten und dabei ihre Hände hielten, unterhielten sie sich. Jeremy kam bei seinem Forschungsvorhaben außergewöhnlich gut voran, und einfach jeder auf dem Außenposten sprach über Fanielles Durchbruch beim Arrangieren eines Treffens mit einem Thranx-Vertreter, der im Rang hoch genug stand, um tatsächlich Entscheidungen treffen und Empfehlungen aussprechen zu dürfen.
»Es wird mir wohl kaum möglich sein, in deine Nähe zu gelangen, wenn du wieder da bist - du wirst hinter einer Wand aus Presseleuten stecken!«, neckte er sie.
»Nur wenn mein Plausch mit der Eint ein Erfolg wird«, schränkte sie ein.
»Es gibt kein Wenn und Aber, wenn du ins Spiel kommst, Herzensdame!«
»Vielleicht nicht, wenn ich im Spiel bin, aber die Diplomatie spielt eben auch in einer anderen Liga.« Warum, so fragte sie sich, fiel jemand, der sich so gern wie sie in den Schaltzentralen interstellarer Macht herumtrieb, in der Gegenwart dieses Mannes immer wieder auf den Reifegrad einer Sechszehnjährigen zurück? Schon vor langer Zeit war Fanielle zu der Überzeugung gelangt, dieser Effekt müsse genetisch bedingt sein.
»Auch du spielst in einer besonderen Liga!« Jeremy beugte sich vor und küsste Fanielle leidenschaftlich. »Ich könnte einen Drink gebrauchen. Möchtest du noch etwas, bevor d …?«
Als ihr Sehvermögen zurückkehrte, spürte sie den Schmerz. Er schien proportional zu der Intensität des Lichts zu wachsen, das über ihre Retina hinwegwogte. Die Erinnerungen kamen in immer größer werdenden Fetzen zurück: wer sie war, wo sie jetzt gerade sein sollte, was man von ihr zu tun erwartete. Zu viel davon wollte nicht zu dem passen, was sie eben in diesem Moment fühlte und sah. Auch wenn die ersten Worte, die sie hörte, an sich völlig unschuldig klangen, ließ ihr Sinn unmissverständlich Schlimmes ahnen. »Sie ist aufgewacht.«
Sie erkannte die Stimme. Botschafter Toroni hatte eine unverwechselbare Art, gemessen zu sprechen, ein wenig nasal, doch eben höchst einprägsam. Seine Stimme passte genau zu seinem Gesicht, das nur ein paar Augenblicke später auf Fanielle hinablächelte. Erleichterung spiegelte sich in diesem Gesicht, jedoch keine Spur von Humor.
Eine Stimme, die Fanielle nicht erkannte, sagte: »Ich lasse Sie jetzt eine Weile mit ihr allein. Ihre Vitalfunktionen sehen gut aus, aber sie dürfte noch nicht ganz bei Bewusstsein sein, bis der Neuralblocker vollständig abgebaut ist. Die Aerogele werden dafür sorgen, dass sie sich wohler fühlt. Wenn irgendwelche Schwierigkeiten auftreten oder wenn Ihnen irgendetwas nicht okay erscheint, drücken Sie einfach den Alarmknopf!«
»Danke, Schwester.«
Schwester. Anjou gefiel der Klang dieses Wortes, wenn auch nicht diese Ernsthaftigkeit im Tonfall ihres Vorgesetzten. Sie versuchte, sich aufzusetzen. Das Bett, das die entsprechenden Neuralbefehle über das Pflaster ablas, das an ihrem Hinterkopf angebracht war, und ermittelte, ob sich aufzurichten den Vorgaben ihres Krankenblattes gegebenenfalls widersprach, kam ihrer Bitte nach.
Als Fanielle endlich saß, schmerzte ihr das Licht nicht mehr so in den Augen. Neben Toroni befand sich auch noch Sertoa an ihrem Krankenbett. Er machte sich nicht einmal die Mühe, ein Lächeln vorzutäuschen. »Hallo, Fanielle. Wie … wie fühlen Sie sich?«
»Müde. Verwirrt. Irgendetwas tut mir weh. Nein«, korrigierte sie sich, »alles tut weh, aber irgendwas dämpft die Schmerzen.« Sie sah an den beiden Männern vorbei, suchte mit ihren Blicken das Krankenzimmer ab, aber sie konnte jene dritte Person, die
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