Das Dornenhaus
ein blutiges Desaster. Den Australiern wurde befohlen, sich zurückzuziehen.
Harold war erleichtert, als er Wally im Graben in einem Unterstand hocken sah. Sie nickten sich zu, zu erschöpft zu sprechen. Der Beschuss hatte aufgehört.
Die Stille, die sich jetzt über das Schlachtfeld senkte, war für Harold entsetzlicher als das Artilleriefeuer. Alle lauschten, und eine Weile sprach niemand.
»Hör dir nur die armen Kerle da draußen an«, flüsterte Harold schließlich Wally zu. Im Niemandsland riefen die Verwundeten nach ihren Kameraden. Sie mussten dort liegen, bis sich bei Anbruch der Nacht die Sanitäter mit ihren Tragen hinauswagen und die Überlebenden zurückbringen konnten.
Im Frühlicht saß Ben Johnson zusammengekauert in einer Ecke des Grabens, das Kinn auf der Brust, die Arme um den Körper geschlungen, in dem Bemühen, sich warm zu halten. Seine Knochen waren steif gefroren und kamen ihm brüchig vor. Er versuchte zu schlafen. Um ihn herum dösten andere Männer oder hockten schweigend da, abgetaucht in eine Welt des Vergessens. Die einzige Möglichkeit, das Grauen zu ertragen, lag für sie darin, nur an den Augenblick zu denken, vergangene Freuden und Glück auszulöschen, um die Qual der Gegenwart zu überleben.
Ben hob den Kopf und lauschte. Ein Stöhnen drang über den grauen Schlamm des Niemandslands an sein Ohr, gefolgt von einem schwachen Ruf: »Ist denn kein Kamerad hier draußen?«
Ben lugte über die Brustwehr und entdeckte die Gestalt eines Verwundeten, der in einem Granattrichter im Niemandsland Schutz gesucht hatte. Er wollte sich vorwärts kämpfen und war von den Sanitätern in der Nacht zuvor entweder übersehen oder für tot gehalten worden. Ohne nachzudenken, ließ Ben sein Gewehr fallen, sprang über die Brustwehr, bückte sich tief und rannte im Zickzack auf den Mann zu.
Als er den Granattrichter erreichte, rollte er sich hinein und entdeckte, dass zwei Männer darin lagen. Der Verwundete hatte eine Kopfwunde und ein zerschossenes Bein. Der andere lag still und bewegungslos da.
»Guten Tag«, sagte Ben mit aufgesetzter Fröhlichkeit. »Du hast nach einer Tasse Tee gerufen?«
»Du musst verrückt sein«, stöhnte der verwundete Soldat dankbar, als ihm Ben seine Wasserflasche reichte. »Danke.«
Zum Erstaunen der beiden hob der Mann neben ihnen den Kopf. »Himmel, ich dachte, du wärst tot«, stotterte der Verwundete.
Ben war im ersten Moment sprachlos, als er merkte, dass er in die angstgeweiteten Augen von Hector Dashford starrte. »Hector! Bist du verwundet?«
»Hol mich hier raus!«, schrie Hector, in seinen blicklosen Augen lag wilde Verzweiflung.
»Immer mit der Ruhe, Kumpel, dir fehlt doch nichts. Du hast nicht einen Kratzer abbekommen!« Ben hielt ihm die Wasserflasche hin, aber Hector beachtete sie nicht, legte den Kopf auf die Arme und begann zu weinen.
»Gott«, dachte Ben, »der hat einen Koller.« Er wandte sich an den Verwundeten. »Wie heißt du? Ich heiße Ben.«
»Stan … Stan Jackson.«
»Also gut, Stan, sollen wir einen Versuch wagen, oder willst du bis zur Nacht hier warten? Wenn ich auch sagen muss, dass mir das Aussehen deines Beins nicht gefällt – du hast eine Menge Blut verloren, schätze ich.«
»Ich tät’s wagen, wenn du mir hilfst.« Er warf einen Blick auf Hector. »Was ist mit dem da?«
Ben sah auf die zitternde, zusammengekrümmte Gestalt von Hector, stieß ihm den Stiefel in die Rippen und fuhr ihn barsch an: »Komm schon, steh auf, Hector. Du machst uns allen Schande, besonders dir selbst.«
Hector schüttelte den Kopf und rutschte noch tiefer in den Krater, ganz in sich zusammengekrümmt.
»Ich warte nicht auf ihn.« Der Verwundete zog sich aus dem Trichter und robbte vorwärts, brach aber gleich zusammen und sackte stöhnend mit dem Gesicht voran in den Schlamm.
»Los, halt dich an mir fest«, sagte Ben. »Wir müssen uns ein bisschen beeilen. Hoffentlich sind die Hunnen alle beim Frühstück.«
Den Verwundeten mit sich schleppend, der auf einem Bein humpelte und das zerschossene Bein hinter sich herzog, machte sich Ben auf den Weg. Unter der Last ging er weit vornübergebeugt, seine Stiefel sanken bis zu den Wickelgamaschen in den weichen Schlamm ein, und sie kamen nur sehr langsam voran.
Sie waren kaum zwanzig Meter weit gekommen, da flog die erste Kugel. Sie stolperten weiter, bewegten sich leicht im Zickzack, aber die nächsten Kugeln schwirrten gefährlich nahe an ihnen vorbei, und sie warfen sich in einen
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