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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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Harold an einer erbitterten Schlacht teil, die sich über weite Teile der Frontlinie hinzog. Ununterbrochen hagelte es Granaten in donnerndem Artilleriefeuer, das in allen Gräben Tote forderte.
    Wie viele seiner Kameraden war Wally vollkommen abgestumpft und erschöpft von der Anspannung der Schlacht, die erbarmungslos rund um die Uhr fortgesetzt wurde. Sie waren alle immun gegen das Entsetzen um sie herum, es war so alltäglich geworden. Der Mann neben ihm bekam einen direkten Treffer ab. Warmes Fleisch und Knochen spritzten auf Wally.
    Die australischen Linien standen unter ständigen Infanterieangriffen. Wenn sie an die Brustwehr befohlen wurden, um die Deutschen zurückzuschlagen, feuerten die Männer, luden nach und feuerten, funktionierten wie Maschinen, wurden trotz Erschöpfung, Hunger und Kälte von einem inneren Instinkt vorangetrieben. Einige der jüngeren Männer zeigten Anzeichen des Zusammenbruchs, und Harold verbrachte ebenso viel Zeit damit, sie zu ermutigen, wie mit der Aufgabe, auf den Feind zu schießen.
    Als ihre Ablösung schließlich kam, sanken die Männer zurück und schlurften in die Unterstände entlang den Versorgungsgräben. Sie aßen ihr durchweichtes Brot und Pökelfleisch, das Wasser schmeckte faulig und abgestanden, aber es war ihnen egal. Ihre Gesichter waren mit Dreck, Blut und Schlamm bedeckt, das Weiß ihrer Augen blitzte aus grauen Fratzen heraus, die durch die Tore der Hölle gesehen hatten, in das Grauen eines heftigen Bombardements mit Tausenden von Waffen.
    Wally ging zu Harolds Platz, fand ihn aber dösend, den Kopf auf die Brust gesenkt. Harolds Gesicht sah eingefallen aus, und er wirkte gebrechlich und alt. Wally nahm seinen kleinen Proviantbeutel, schob ihn Harold in den Nacken, legte dessen Kopf dagegen und sagte leise: »Hier, Kumpel, da hast du ein Kissen.«
    Nach ein paar kurzen Stunden waren sie wieder auf dem Schlachtfeld und rückten gegen einen sich langsam zurückziehenden, aber immer noch trotzig kämpfenden Gegner vor.
    In Zanana bewegte sich Kate in ihrem Bett, plötzlich war sie wach geworden. Es war kurz nach Mitternacht, das Mondlicht strömte durch das Fenster, eine leichte Brise hob die Spitzenvorhänge an.
    Unten drehte sich Gladys Butterworth im Bett und streckte instinktiv die Hand nach der beruhigenden Körperfülle ihres Ehemanns aus, fand aber nur Kälte und Leere.
    Die Gärten von Zanana waren in silbriges Licht getaucht, erstarrt in einem zeitlosen Augenblick, ein Ort der Heiterkeit, der Schönheit und des Friedens, der Traum von Robert MacIntyre, eingefangen in einem ätherischen Gemälde.
    In Frankreich, auf einem regendurchweichten und schlammigen Feld, fiel Harold Butterworth vornüber mit dem Gesicht in den Morast und sah im selben Moment die vom Mondlicht beschienenen Gärten von Zanana.
    Wally, der in seiner Nähe kämpfte, war gleich an seiner Seite. Er drehte ihn um, bettete Harolds Kopf in seinen Arm und sah, dass eine einzelne Kugel ihn an der Schläfe getroffen hatte. »O Junge. O Junge. Jesus, Harry … Himmel, Kumpel … nicht nach all dem …«
    Tränen schwammen in Wallys Augen, während der Regen den grauen Schlamm und das helle Blut zu einer ockerfarbenen Paste auf Harolds Gesicht vermischte.
    »Lass ihn liegen, Soldat. Beweg dich, sonst bist du der Nächste.«
    Sanft legte Wally Harold zurück auf den schlammigen Boden, nahm ihm die Identifizierungsmarke ab und zog die Papiere und die Brieftasche heraus, die Harold in der Innenseite seiner Uniformjacke bei sich trug. Er stopfte sie in seine eigene Jacke, griff nach seinem Gewehr und stolperte vorwärts, wie taub vor Schmerz und Trauer.
    Erst später, als er sich hinsetzte, um den schwersten Brief seines Lebens zu schreiben, sah sich Wally die Sachen an, die er Harold abgenommen hatte. Da war ein Brief von Gladys, ein Foto von ihr als junge Braut und noch eines, das viel später aufgenommen worden war, von ihr und Kate im Garten. Er faltete ein dickes Blatt auseinander und fand einen unbeendeten Brief an Gladys und das Wasserfarbenbild, das Kate vom Garten in Zanana gemalt hatte. Die Farben waren durch den Regen etwas verlaufen, aber Wally wusste, dass Harold dort war, nicht hier, auf einem fremden Schlachtfeld, einer der anonymen, »nur Gott bekannten« Gefallenen, sondern dort, zu Hause und in Frieden.
    Hock Lee war es, der Gladys Butterworth und Kate die Nachricht brachte. Mrs. Butterworth blieb gefasst. »Ich wusste es. Ich habe es in der Nacht gespürt, in der es

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