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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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zurück.
    »Australier«, fügte Harold erklärend hinzu.
    Der alte Mann ließ die Kleiderbündel fallen, faltete die Hände zum Gebet, die Augen zum Himmel gerichtet, salutierte dann vor den Männern und rief seinen Freunden und Nachbarn etwas zu. Der Laster fuhr langsamer, während sich die Menschen zusammenscharten und dem Mann zuhörten, der von »les Australiens« sprach. Dann lächelten und winkten sie den Soldaten zu und begannen, ihre Habe wieder nach drinnen zu schleppen.
    »Was macht ihr da?«, rief Wally.
    »Pas nécessaire maintenant – vous les tiendrez«, rief der Mann ihnen über die Schulter zu.
    Einer der Soldaten übersetzte: »Er sagt, es sei jetzt nicht mehr nötig – wir würden sie aufhalten.«
    »Himmel, ich hoffe, wir enttäuschen den alten Kerl nicht«, murmelte Harold, während der Lastwagen weiterfuhr.
    Zwei Meilen vom Dorf entfernt hielt die Kolonne an. Den Soldaten wurde gesagt, sie würden die Nacht in der Scheune eines nahe gelegenen Hofes und in den Räumen einer Landschule verbringen.
    Während sie sich für die Nacht einrichteten, bauten die Köche eine Feldküche auf, und schon bald blubberte ein Lammeintopf in den großen Töpfen. Mehrere Dorfbewohner kamen mit einem Karren und brachten eine Kiste Landwein, einen Sack Kartoffeln und einige Hühner.
    Später schrieb Harold an Gladys:
     
    … wir haben den Abend alle genossen, und er munterte uns auf, bevor wir bei Tagesanbruch abmarschierten. Es war fast wie eine Art Picknick. Wir haben sogar ein bisschen gesungen. Die Bauern blieben bei uns, nahmen vor ihrem Heimweg Habt-Acht-Stellung an und sangen die Marseillaise. Es war ein bewegender Anblick, und mir wurde die Kehle eng. Kein Laut war zu hören, als sie geendet hatten, und unser Hauptfeldwebel stand auf und stimmte mit seiner dröhnenden Stimme »Waltzing Mathilda« an. Wir fielen alle ein, und es war ein fröhlicher Ausklang für einen erinnerungswürdigen Abend. Wir waren alle gerührt von der Großzügigkeit der Bauern, da wir wussten, wie knapp die Nahrungsmittel waren …
     
    In der kalten, nebligen Dämmerung brachen sie auf. Die Laster schlingerten über die schlammige, löchrige Straße. Schweigen senkte sich über die zusammengekauerten Männer, als sie am ausgebrannten Wrack eines großen Panzers vorbeikamen. In dem von Granattrichtern übersäten Feld konnten sie den Tod in der frischen Morgenluft riechen.
    Ein Fahrzeug, das in die entgegengesetzte Richtung fuhr, kam an ihnen vorbei, und ein verschlafener australischer Soldat rief dem britischen Mannschaftswagen und den darin sitzenden Offizieren zu: »He, Jungs, ihr fahrt in die falsche Richtung, der Krieg ist da vorne.«
    Bald wurde den Männern befohlen, von den Lastwagen zu steigen und in langen Einzelreihen zu beiden Seiten der Straße auf die Front zuzumarschieren. Die kahle Landschaft wurde zu einer Szene unvorstellbarer Verwüstung. Ein beißender Wind fuhr über die Öde aus gelbem Schlamm, in der nur die schwarzen Skelette einstmals mächtiger Bäume als starre Wächter übrig geblieben waren. Verbogener Stacheldraht, ein ausgebranntes Fahrzeug und Granattrichter zernarbten die Erde. Alles war unheimlich still und geisterhaft. Aber in der Ferne war das ununterbrochene Rumpeln von Artilleriefeuer zu hören, und die Männer spürten, wie die Erde erbebte.
    Sie erreichten die Nachschublinien und verbrachten eine kalte Nacht, zusammengekauert in den Gräben, mit klappernden Zähnen und geflüsterten Unterhaltungen. Einige Männer ahnten ihren Tod voraus und sprachen offen darüber. Oft wussten ihre Freunde es auch und waren nicht überrascht, wenn ihr Kamerad fiel.
    Rum wurde ausgegeben, um die Männer warm zu halten, die auf die Stunde null und den Befehl zum Vorrücken warteten. Kurz vor Tagesanbruch begaben sie sich leise in die vordersten Gräben. Der Befehl zum Angriff kam bei Morgengrauen, als noch der Nebel über dem Morast wallte, der die beiden Truppen voneinander trennte. Niemand zögerte. Mit gezückten Gewehren und aufgepflanzten Bajonetten kletterten sie aus den Gräben und marschierten mit festem Schritt in die Nebelschwaden des Niemandslands.
    Der Boden bestand hauptsächlich aus grauem Schlamm. Das Maschinengewehrfeuer des Feindes krachte wie Stockhiebe, schlug wie Blitze in den teilweise gefrorenen Boden ein. Der Lärm war ohrenbetäubend und der Gestank erstickend.
    Das Bataillon von Harold und Wally verlor eine Menge Männer. Der Angriff erreichte die deutschen Gräben nicht. Es war

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