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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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werden.«
    »Blödsinn. Ich kann auch zäh wie ein alter Stiefel sein – Sie werden schon sehen. Aber bellende Hunde beißen nicht, also stören Sie sich nicht daran. Ich bin dazu da, Ihnen zu helfen, stellen Sie mir also ruhig Fragen. Solange Sie hart arbeiten, unterstütze ich Sie. Wenn Sie versuchen, mich an der Nase herumzuführen, fresse ich Sie lebendig mit Haut und Haaren.«
    Noch zwei weitere Schreibtische waren in den kleinen Raum gequetscht. Odette würde sich das Büro außerdem noch mit der Redaktionssekretärin Elaine und mit Tante Bea teilen, die die Leserbriefe beantwortete. In ihren Antworten gab sie Ratschläge für alle, von verliebten Teenagern – »tief betrübt, Parramatta« – bis hin zu älteren Menschen – »Vergessene Oma, Sutherland«.
    Eine aus Sperrholz und in der oberen Hälfte aus Glas bestehende Trennwand reichte halbwegs bis zu den Neonröhren an der Decke hinauf. Auf der anderen Seite des Flurs befanden sich gleichartige Büros, in denen es ebenso eng war und genauso lebhaft zuging. Auf jedem Tisch stand eine Schreibmaschine. Ein Regal, das unter den Fenstern entlang verlief, war mit alten Ausgaben aller vom Verlag herausgegebenen Publikationen gefüllt. Die Fenster gingen auf einen öden Teil der Stadt hinaus – eine griechische Kirche, einen Ramschladen und ein langweiliges Gebäude, in dem kleine Büros von Anwälten und Buchhaltern untergebracht waren.
    Über das ganze Stockwerk verlief unterhalb der dunklen, fleckigen Decke ein dickes Rohr, das an verschiedenen Stellen mit abwärts führenden Röhren und Auffangkästen versehen war. Durch diese luftdruckbetriebene Verbindung schossen zylinderförmige, gepolsterte Kapseln, die noch feuchte Bürstenabzüge aus der Setzerei in den Tiefen des Gebäudes heraufbeförderten. Mit einem dumpfen Geräusch fielen sie in die Auffangkästen in den verschiedenen Ressorts. Es war die Aufgabe der Laufjungen oder -mädchen, beim Geräusch des Aufpralls der Zylinder die aufgerollten Satzfahnen herauszunehmen und sie sofort dem zuständigen Redakteur zu bringen.
    Odette verbrachte den Rest des Morgens damit, sich Namen zu merken und sich in dem Labyrinth der Redaktionsräume zurechtzufinden. Toby, der Laufjunge, freundete sich gleich mit ihr an und zeigte ihr, wo der Wasserkessel stand, damit sie sich Tee oder Pulverkaffee machen konnte. Toby war in einem kleinen schrankförmigen Kabuff untergebracht, in dem sich ein Brett mit nummerierten Summern befand. Wenn er gebraucht wurde, leuchtete ein Licht bei der entsprechenden Zahl auf, und er wusste anhand dieser Zahl, wer ihn gerufen hatte. Er war sechzehn und begierig auf ein Volontariat, aber er wusste, dass er darauf noch ein Jahr warten musste.
    Odette war froh über den Tee und nahm sich auch Kekse, da sie kein Geld hatte, sich mittags etwas zu essen zu kaufen.
    Kay Metcalf kam ihr zu Hilfe, als sie fragte, ob Odette schon bei der Zahlstelle gewesen sei und die entsprechenden Formulare ausgefüllt hätte. Odette schüttelte den Kopf und fragte schüchtern: »Wann werden wir bezahlt?«
    »Jeden Donnerstagnachmittag.« Kay lächelte sie an. »Soll ich Ihnen bis Donnerstag etwas leihen? Ich weiß, wie teuer es ist, sich eine neue Wohnung einzurichten. Sie werden merken, wie kostspielig das Leben hier in der Stadt ist.«
    »Ich habe noch keine Wohnung. Ich bin am Wochenende angekommen und wohne im CVJF  – wo mir sofort mein Geld gestohlen wurde.«
    Kay Metcalf sagte empört: »Diese Christen sind nicht besser als die Löwen, denen man sie bei den alten Römern vorgeworfen hat! So ist diese Stadt, behandelt jeden Mann, jede Frau und jeden Hund als einen Feind, bis sie das Gegenteil bewiesen haben. Komm, Mädchen. Jetzt werden erst mal die Formulare ausgefüllt. Wenigstens ist dies hier ein Beruf, in dem wir Frauen das Gleiche verdienen wie die Männer!«
    Odette war froh, dass Kay Metcalf sie unter die Fittiche genommen hatte. Die Größe und Betriebsamkeit der
Women’s Gazette
, die nur ein Stockwerk des Gebäudes einnahm, verwirrte sie. Und die Stadt da draußen war riesig und unvertraut, voll fremder Menschen und ein wenig bedrohlich. Aber es lag eine Erregung in der Luft, die ihre Stimmung hob. Die Stadt schien vor Leben zu beben, und Odette hatte das Gefühl, mittendrin zu sein.
    Kay Metcalf und Elaine luden sie zum Lunch ein, im »Schmierlöffel«, wie sie lachend meinten, einem großen und lärmenden Restaurant über dem Ramschladen. Ein Schild verkündete in abblätternder Farbe,

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