Das Dornenhaus
wieder die Schwestern aufziehst, Wally«, meinte Kate lächelnd.
»Ich mag zwar gute dreißig Jahre älter sein als du, Kate, aber ich steh noch nicht mit einem Fuß im Grab«, grinste Wally und zwinkerte ihr zu.
Kate ging weiter durch die Gärten zu den Terrassen, die hinab zum Flussufer führten. Das große Schwimmbecken funkelte in der Morgensonne. Die Badepavillons waren frisch gestrichen worden, und eine Reihe von Kentiapalmen warf Spitzenmuster aus Schatten auf das frisch gemähte Gras.
»Ben? Bist du da?«
»Hier drinnen, Kate«, rief er aus den Büschen, die das Becken abschirmten.
Sie bahnte sich ihren Weg in das Gebüsch. Ben saß auf einem Felsbrocken und hatte vor sich auf dem Boden ein Blatt Papier ausgebreitet.
»Was machst du da?«
»Ich entwerfe das Geschenk zu deinem einundzwanzigsten Geburtstag.«
»Was meinst du damit?«, fragte Kate verblüfft. Ben hatte ihr noch nie etwas geschenkt, und bis zu ihrem Geburtstag war es noch lange hin.
»Ich wollte dir etwas Besonderes schenken. Ich muss es dir sagen, weil ich die Erlaubnis dazu bei Hock Lee und Mrs. B. einholen musste. Ich baue dir eine Grotte.«
»Eine Grotte …? Ben, das klingt wunderbar.«
»Hier, das ist der Plan dafür. Das Material und das Bauen der Grotte sind kein Problem, weil ich nur eine Ton- und Sandsteinmischung dafür verwenden werde. Der schwierigere, aber auch vergnüglichere Teil wird sein, ihr die richtige Form zu geben. Und dann natürlich die Pflanzen. Sie müssen alle aus dem Regenwald stammen – Farne, Bromelien, Orchideen und Moose … Wally will dafür sorgen, dass ein Freund welche aus Bangalow herschickt.« Er brach ab und sah sie lächelnd an. »Was hältst du davon? Hier ist meine Skizze. Du könntest es viel hübscher zeichnen.«
Kate kniete sich ins Gras und betrachtete das Blatt Papier mit der detaillierten Zeichnung. »Ben, das ist ja wie im Märchen. Es ist zauberhaft.«
Kate setzte sich auf und umschlang ihre Knie unter dem Baumwollrock. Sie sah zu Ben in seinen groben Tweedarbeitshosen und dem kragenlosen Hemd auf, dessen Ärmel bis zu seinem Bizeps hochgerollt waren. Sein lockiges braunes Haar fiel ihm über das eine Auge, sein offenes, freundliches Gesicht war von der Sonne gebräunt.
»Was für ein guter Mensch er ist«, dachte Kate. Manche Menschen hätten Ben vielleicht als einfachen Arbeiter abgetan, aber ihr war klar geworden, wie sehr er die Natur und die Schönheit liebte – er schien die Gabe zu haben, um sich herum Harmonie zu schaffen. Hinter seiner Einfachheit verbarg sich eine Tiefe des Gefühls und der Fürsorge. Auf seine stetige, ruhige Art war er so beständig wie der Fels, auf dem er saß.
Ben stand auf und faltete das Blatt zusammen. »Ich bin froh, dass dir meine Idee gefällt. Es wird etwas ganz Besonderes werden.«
Sie lachten leise über ihr gemeinsames Geheimnis, und er streckte die Hand aus und half ihr hoch. Einen Moment lang waren sich ihre Körper so nahe, dass sie sich fast berührten, und sie sahen sich, immer noch Hand in Hand, in die Augen. Bens Kopf näherte sich Kates Gesicht, doch dann ließ er ihre Hand los und nestelte an dem Grottenplan herum.
Sanft nahm Kate ihn ihm weg. »Gib ihn mir, dann male ich ein Aquarell davon, wie es aussehen wird.«
»Eine Impression der Künstlerin?«
»In diesem Fall bist du der Künstler, Ben.«
Die Gala-Sommersymphonie, von Kate bis ins kleinste Detail geplant, war noch monatelang in aller Munde. Es war ein herrlicher Sommertag. Der Fluss lag im verführerischen Licht des Sonnenuntergangs, der das Wasser erst silbern und dann rot und golden glänzen ließ.
Fröhlich geschmückte Boote brachten die Gäste zum Anlegesteg. Einige waren in Abendgarderobe, andere nach der neuesten ›Flapper‹-Mode gekleidet, die Männer in Flanellhosen und gestreiften Blazern. Manche der Frauen trugen breitkrempige Hüte, beladen mit Seidenblumen, während andere mit eng anliegenden Glockenhüten über neumodischen Bubikopffrisuren auffielen. Viele Männer trugen flotte Strohhüte, trotz der frühabendlichen Stunde.
Chinesische Laternen baumelten an den Ästen, und als es dunkel wurde, gingen am Flussufer entlang elektrische Lampen an und warfen ihren gelben Lichtschein auf das Wasser. Bevor das Konzert begann, schlenderten Musikanten, Jongleure und Zauberer durch die Picknickgäste, um sie zu unterhalten und zu amüsieren.
In dem Moment, als der Sonnenball hinter dem Horizont versank, kündeten drei Hornstöße von einem
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