Das Dornenhaus
den Hals zu werfen und ihn an sich zu drücken, war aber von einer gewissen Scheu ergriffen und hielt sich zurück.
»Meine Zigeunerfamilie hat einen Lagerplatz in der Nähe dieses Tals. Ich habe ein paar Leute kennen gelernt, die hierher gezogen waren, und entdeckte, dass wir ein gemeinsames Interesse an Musik haben. Einer von ihnen ist nach Sydney zurückgegangen, und ich habe sein Haus übernommen, also lebe ich jetzt auch hier.«
»Schreibst du immer noch Songs?«
»Sehr viele. Ich werde heute Abend für dich singen. Und du hast also die große Stadt erobert, kleiner Vogel?«
»So in etwa. Es hat Spaß gemacht. Doch wenn ich mein Leben mit dem vergleiche, das ihr alle hier führt, bin ich … unzufrieden.« Sie zuckte die Schultern.
»Du hast noch nicht alle Berge bezwungen. Welche Pläne hast du?«
»Ich hab einiges gespart. Vielleicht mache ich eine Europareise. Schaue mir an, wie es da drüben ist. Reporterin zu sein ist recht aufregend, aber ich denke manchmal, dass ich es nicht für immer sein möchte. Ich meine, ich werde nie aufhören zu schreiben, aber … na, wir werden sehen. Erzähl mir von deinem Leben.«
Er lachte. »Eigentlich willst du doch vor allem wissen, ob es eine Frau in meinem Leben gibt.«
Er zog sie an einer ihrer Locken. »Nein, im Moment nicht. Und bei dir?«
»Oh, Dutzende von Männern!« Auch sie lachte, und diesmal schlang sie ihm die Arme um den Hals. »Ach, Zac, ich hab dich so vermisst!«
Er küsste sie auf die Nase. »Es war das Beste, dass wir unsere eigenen Wege gegangen sind. Aber ich hab viel an dich gedacht.«
Odette fand seinen Mund und küsste ihn. »Jetzt lass ich dich nie wieder fort.«
Er machte sich sanft von ihr los. »Sachte, Kleines. Was geschehen wird, wird geschehen. Es reicht, dass wir einander wieder gefunden haben. Ich hab dir gesagt, dass ich nie weit von dir weg sein würde.«
»Na gut. Erzähl mir von diesem Ort hier. Ist wirklich alles so friedlich und heiter, wie es scheint?«
»Für uns, die wir hier leben, ja. Aber Außenseiter wissen oft nicht recht zu würdigen, was wir zu tun versuchen. Also sind wir vorsichtig damit, wie wir uns nach außen hin darstellen. Die Leute bilden sich die verrücktesten Sachen ein, wenn sie nicht wissen oder verstehen, was wir tun und wer wir sind. Einige nennen uns einfach Regenwald-Aussteiger, meinen, wir fänden es leichter, uns nicht mit den Realitäten und Herausforderungen des Lebens in der so genannten realen Welt auseinander zu setzen. Es ist schwer, ganz neu anzufangen, glaub mir.«
»Ich habe ein paar unglaubliche Geschichten im Gasthaus gehört.«
»Gemeinschaften wie unsere werden mit der Zeit alltäglicher und anerkannter werden. Und es wird welche geben, die nicht der gleichen Philosophie folgen wie wir. Drogen, Armut, Verzweiflung – man nimmt dieselben Probleme mit sich. Man muss zu den Anfängen zurückkehren und einen neuen Lebensstil schaffen. Einen, der ein stabiles Lebenssystem für die Menschen und die Umwelt gewährleistet. Wir haben das verschwendet, was Gott und die Natur uns gegeben haben, also muss jemand der Rufer in der Wüste sein.«
»Du hast nur einen Stamm gegen den anderen ausgetauscht, Zac.«
»Es stimmt, unser Lebensstil hier ist ähnlich. Aber im Gegensatz zu den Zigeunern, die ewige Wanderer sind, glauben diese Leute, sie hätten ihr Utopia gefunden.«
»Das ist schon vorher versucht worden – William Lane und seine Gruppe, die nach Paraguay gingen, die Landsiedlungen der katholischen Kirche –, warum sollte es hier funktionieren?«
»Vielleicht wird es nicht funktionieren. Aber man muss es versuchen. Und ganz selbstsüchtig gesprochen, bringt es denen, die hier leben und arbeiten, Freude. Sie glauben, sie bauen eine bessere Welt für ihre Kinder auf, und hoffen, dass ihre Ideale irgendwann von einer breiteren Öffentlichkeit übernommen werden.«
»Und sie sind zufrieden und glücklich mit dem, was sie tun?«
»Sehr. Komm, wir müssen zu der Versammlung gehen und sehen, was sie beschließen. Ich werde für dich sprechen.«
»Aber nur, wenn du es wirklich willst, Zac. Über diesem Ort hier liegt ein Zauber. Ich möchte nicht, dass er durch Publicity zerstört wird.«
Als sie das Versammlungshaus betraten, saßen ein Dutzend Männer und Frauen auf Matten im Kreis. Max saß zwischen Peter und Ruth Rawlings. Als Odette und Zac eintraten, verstummten alle. Zac führte Odette in die Mitte des Kreises, ließ sie Platz nehmen und stellte sich neben sie. Er sprach
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