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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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den Berg das Mondlicht nicht durchließ. Er erklärte ihr die mythische Bedeutung des Berges, den die Aborigines Wollumbin – den Wolkenfänger – nannten, da die Spitze während des größten Teils des Jahres wolkenverhangen war. Viele Menschen glaubten, dass der Mount Warning, Cape Byron und Murwillumbah ein Becken bildeten, das in sich eine Quelle mächtiger kreativer und positiver Energien barg. Captain Cook hatte dem Berg den Namen gegeben, um die Seeleute vor den Riffs bei Point Danger zu warnen, wo seine Endeavour 1770 fast zerschellt wäre.
    »Als erste Weiße bestieg eine Bergsteigergruppe 1868 den Berg. Zwei Jahre später wagte der Botaniker Guilfoyle den Aufstieg, aber er brauchte dafür dreieinhalb Tage«, sagte Zac.
    »Das kann ich gut verstehen«, schnaufte Odette, zog ihren Pullover aus und band ihn sich um die Hüften.
    »Lass uns eine Pause machen. Du brauchst den Pullover später, da oben ist es eiskalt.« Zac reichte ihr die Flasche aus seinem Rucksack, und sie trank dankbar. »Mach deine Taschenlampe aus«, flüsterte Zac.
    Sie saßen im Dunkeln, und nachdem sich ihre Augen daran gewöhnt hatten, sah Odette am Hang neben sich eine Wolke von Glühwürmchen. Dann hörten sie ein geschäftiges Rascheln, und Zac knipste die Taschenlampe an, in deren gelbem Schein ein kleines Beuteltier auftauchte und sie erstaunt anblinzelte.
    »Was ist das … eine Maus oder ein Opossum?«
    »Ein Kaninchenkänguru … manche glauben, die Kängurus stammen von diesem kleinen Wesen ab. Was da sonst noch raschelt, sind wahrscheinlich Beutelmäuse, Buschratten oder Bandikuts. Auf dem Rückweg bei Tageslicht werden wir mehr sehen.«
    Sie sprachen wenig, als der Pfad steiler wurde und sich immer höher den Berg hinaufwand. Gelegentlich konnte Odette durch einen Einschnitt im Regenwald den Vollmond sehen, der groß und tief am Himmel hing, und sie hatte das Gefühl, ihn bei ihrem Aufstieg zum Gipfel hinter sich zu lassen.
    Gerade als sie meinte, keinen Schritt weitergehen zu können, erreichten sie den letzten Teil des Anstiegs. Eine glatte Felswand ragte vor ihr auf.
    »Was jetzt?«, fragte Odette schwer atmend.
    »Richte deine Taschenlampe ein wenig zur Seite. Da sind Haken in die Wand eingeschlagen, dazwischen hängt ein Seil. Zieh dich mit Hilfe des Seils hoch und halt die Füße flach gegen den Felsen gedrückt.«
    Diese letzten zweihundert Meter waren die schlimmsten, dann waren sie oben und saßen am Rand des Vulkans, der vor zwanzig Millionen Jahren ausgebrochen und erstarrt war. Die ersten schwachen Lichtstreifen erhellten den Nachthimmel. Odette fröstelte, als ein kalter Wind aufkam, und war froh, ihren Pullover überziehen zu können.
    Zac deutete zur Küste, wo ferne Lichtbänder schimmerten. Direkt unter ihnen wallte weißer Nebel und bedeckte die Täler des Tweedbeckens. Dann brachen plötzlich am weit entfernten Horizont die ersten rotgoldenen Strahlen der Sonne hervor.
    Bald formte der lodernde Rand der Sonne einen Bogen auf der geraden Linie des Horizonts. Zac stieß Odette an und bedeutete ihr, hinter sich zu schauen. Der Vollmond versank hinter den Bergen in einem lavendel- und rosafarbenen Himmel. Vor ihnen schien der neue Tag aus dem Meer aufzusteigen, strahlend hell, mit Ehrfurcht gebietender Intensität.
    »Wir haben Glück, dass es ein klarer Morgen ist, es kann leicht passieren, dass man hier raufklettert und alles im Nebel versinkt, besonders während der feuchten Jahreszeit.«
    Wie ein Maler seine Leinwand betupfte die Sonne den ziehenden silbrigen Nebel mit Farbe und trieb ihn weiter und weiter hinunter in dunkle Abgründe. Jetzt waren die üppig grünen Täler zu sehen, die sich zur Küste hin erstreckten. Als die Sonne höher stieg, warf der Mount Warning seinen mächtigen Schatten auf die dahinter liegende Hügelkette. Impulsiv sprang Odette auf und ab und wedelte mit den Armen, in der Hoffnung, auch ihren Schatten auf dem grau-grünen Blätterdach des Bergwaldes zu sehen. Dann brach sie über ihre morgendliche Verrücktheit in Lachen aus.
    Zac lachte und umarmte sie. Sie setzten sich auf einen Felsbrocken und öffneten ein Päckchen Kekse.
    »Was hast du sonst noch in deinem Zauberbeutel?«, fragte Odette und kaute dankbar.
    »Keinen heißen Tee, fürchte ich. Das muss warten. Ebenso der Champagner, wir feiern einfach mit einem Kuss.«
    Auf der Bergspitze, Hunderte von Meilen sichtbar, küssten sich die beiden, und Odette hatte das Gefühl, sie wären allein auf der Welt.
    »Ich danke

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