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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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Schwierigkeiten gelang es ihr, Max von dem versunkenen Garten fortzuzerren, in dem die Sonnenuhr immer noch Wache hielt.
    »Sieh mal da oben, Max«, rief Odette mit stockender Stimme.
    Die Rosen standen in voller Blüte. Sie hatten Zeit und Vernachlässigung überdauert und den Kampf gegen Unkraut und Gras, unregelmäßige Wasserzufuhr und jede Witterung gewonnen. Sie hatten sich über die Beete und Lauben ausgebreitet, hatten sie mit ihren dornigen Armen umschlungen und sich dem Himmel entgegengestreckt. Wie ein Sternenhimmel war das wirre Gebüsch mit leuchtenden Blüten übersät.
    Odette atmete tief ein. »Riech mal. Immer, wenn ich den Duft von Rosen rieche, werde ich hierher nach Zanana zurückversetzt.«
    »Sie sind prächtig. Absolut überwältigend.« Für einen Augenblick hatte Max seine Kamera völlig vergessen. Dann hob er langsam den Apparat und begann die Rosen zu fotografieren.
    Er stieg hinauf, aber es war unmöglich, weiter vorzudringen. Also beschloss er, sie mit dem Weitwinkelobjektiv aufzunehmen.
    Odette fand die rustikale Gartenbank noch immer intakt, befreite sie von verwelkten Blättern und Zweigen, setzte sich und sah dem Fotografen zu.
    Als Max den Film verknipst hatte, setzte er sich neben sie und legte eine neue Rolle ein.
    »Kannst du dir vorstellen, dass das hier alles mit Bulldozern eingeebnet wird?«, fragte Odette.
    »Das wäre ein Verbrechen. Man sollte es wieder herrichten und der Öffentlichkeit zugänglich machen. Junge, das muss wirklich mal großartig gewesen sein. Wie sieht denn die Villa aus?«
    »Oh, die Villa hat ihren eigenen Zauber. Aber es gibt noch ein kleines Haus, das ganz außergewöhnlich ist. Komm, lass uns weitergehen.«
    »Was bedeutet Zanana eigentlich?«, fragte Max, während er ihr auf dem Weg zwischen den überwachsenen Blumenbeeten und dem kniehohen Gras folgte, das einmal ein gepflegter Rasen gewesen war.
    »Weißt du, es ist mir ja peinlich, das zuzugeben, aber in all den Jahren, in denen ich hierher kam, ist mir nicht einmal in den Sinn gekommen, dass es überhaupt etwas bedeuten könnte. Erst als ich mit den Recherchen angefangen habe, las ich in einer der alten Zeitungen, dass der Name aus Indien stammt. Er bezeichnet die abgeschiedenen Räume in den Palästen, in denen die Frauen untergebracht waren – die Maharanis und Konkubinen und ihr Gefolge. Die mysteriösen verschleierten Frauen, die von Eunuchen bewacht wurden.«
    Max blieb stehen und drehte sich um. »Meine Güte, willst du damit sagen, das hier war so was wie ein privater Harem?«
    Odette lachte über seinen verblüfften Gesichtsausdruck. »Das glaube ich kaum, Max. Zanana bedeutet gleichzeitig Zufluchtsort. Der ursprüngliche Besitzer, Robert MacIntyre, stammte aus Schottland, verbrachte die Flitterwochen in Indien und baute dann das hier für seine Frau«, erklärte Odette im Weitergehen.
    Max achtete darauf, wohin er auf dem brüchigen Plattenweg trat, und sah nicht, was vor ihnen lag, bis Odette leise sagte: »Das hat er auch für seine Frau gebaut.«
    Mit offenem Mund starrte Max den kleinen indischen Palast vor ihnen an. Die bunten Glasscheiben funkelten im Sonnenlicht, die Marmorkuppel und die anmutigen Säulen wirkten immer noch glatt und alterslos trotz der Schimmelflecken, kleiner Vogelnester, toter Blätter und Zweige, die sich überall angesammelt hatten.
    Sie gingen die Stufen hinauf, und Odette zögerte vor der Tür. »Können wir rein?« Max merkte, dass er flüsterte.
    »Ja. Es ist nur so, dass ich beim letzten Mal, als ich hier war … ein seltsames Erlebnis hatte«, erwiderte Odette.
    »Was denn für ein Erlebnis?«, fragte Max vorsichtig.
    »Ach, eigentlich nichts. Nur meine blühende Einbildungskraft, nehme ich an. Aber ich hatte das Gefühl, dass jemand da drin war …«
    »Sich da drin versteckte, meinst du?«
    »Nein, ein Geist oder so was. Eine Frau …«
    »Oh, es spukt also da drin! Na, dann ist ja alles in Ordnung«, lachte Max, trat an ihr vorbei und gab der geschnitzten Tür einen kräftigen Schubs.
    Sie öffnete sich widerstrebend mit einem Quietschen der rostigen Türangeln. Max trat ein und stieß erneut seinen unvermeidlichen Pfiff aus. »Ich kann’s nicht glauben. Mein lieber Mann, das ist ja phantastisch!«
    Odette trat neben ihn und seufzte erleichtert auf. Das indische Haus war noch intakt. Genauso, wie sie es in Erinnerung hatte.
    »Was ist das?« Max ging weiter hinein.
    »Ein Bett. Leg dich drauf und schau zum Baldachin hinauf.«
    Er warf ihr einen

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