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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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Licht.«

Kapitel vierundzwanzig
    Sydney 1972
    Z anana verfolgte Odette bis in ihre Träume. Es war nicht nur die Geschichte des Kampfes zwischen einem Bauspekulanten und der Öffentlichkeit. Sie spürte eine Anziehungskraft, eine persönliche Verpflichtung, die weit über ihre Rolle als Reporterin hinausging.
    Sie träumte vom Rosengarten und erwachte umgeben von Rosenduft. Sie träumte vom indischen Haus und erwachte mit einem Ruck, als hätte jemand leise ihren Namen gerufen.
    Sie war verwirrt und aus dem Gleichgewicht gebracht, und als Mrs. Bramble sie eines Morgens kurz nach der Stadtratssitzung anrief, um ihr von der geplanten Protestkundgebung zu erzählen, rieb sich Odette die Stirn, als versuchte sie, ihre Verwirrung wegzumassieren.
    »Wir haben jetzt die ganze Bevölkerung auf unserer Seite«, berichtete Mrs. Bramble stolz. »Es geht nicht mehr nur um Zanana, sondern auch um moralische und philosophische Fragen«, setzte sie in fast rhetorischem Ton hinzu. »Wenn diese Stadträte uns nicht hören wollen, müssen wir eben lauter sprechen … und genau das werden wir bei der Kundgebung vor den Toren Zananas tun.«
    Sie fuhr ohne Pause fort und erzählte ihr von der großen fahrbaren Bühne auf einem Lastwagenanhänger, von Luftballons mit der Aufschrift »Rettet Zanana« für die Kinder, von Bands und Musikkapellen, bis es Odette vorkam wie ein Karneval, ein Musikfestival und eine politische Kundgebung in einem. Es fiel ihr schwer, sich auf diese Mrs. Bramble einzustellen, die sie kaum wiedererkannte.
    »Das klingt ja, als planten Sie etwas Gigantischeres als ›Ben Hur‹, Mrs. Bramble. Es wird sicher Eindruck machen, aber wird es auch die Ansicht der Stadträte ändern?«
    »Wenn nicht, dann können sie davon ausgehen, dass sie bei der nächsten Wahl nicht wieder gewählt werden.«
    »Einige sind vielleicht ganz froh darüber, wenn diese Schlacht erst geschlagen ist. Warum lassen Sie sich nicht für den Stadtrat aufstellen?«, fragte Odette im Spaß, aber Mrs. Bramble ging völlig ernsthaft darauf ein.
    »Glaub nicht, dass ich das nicht schon erwogen hätte. Meine Güte, ich war nur eine einfache Hausfrau wie die meisten anderen in der Nachbarschaft, bis diese Sache anfing. Ich war immer der Meinung, dass andere sich um so was wie die Stadtverwaltung kümmern sollten. Aber jetzt nicht mehr. Nachdem ich neulich bei der Sitzung gehört habe, wie manche dieser Männer reden, bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass der Stadtrat dringend ein wenig altmodischen gesunden Menschenverstand zur Auffrischung braucht. Ein paar Frauen im Stadtrat täten den Herren mehr als gut. In der Zwischenzeit müssen wir ihnen zeigen, dass wir sie durchschaut haben.«
    Bei Odettes wöchentlichem Anruf zeigte sich Tante Harriet beeindruckt von den neuesten Entwicklungen. »Das klingt ja so, als sei die Verwandlung der Flora Bramble von der Rührteigexpertin zur politischen Aufrührerin vollendet«, witzelte sie. »Ich kann nur sagen, dass ich voll damit einverstanden bin. Ich bin hier von Zeit zu Zeit auch mit dem Stadtrat aneinander geraten. Man muss ein Auge auf sie haben, aber ich werde zu alt, um mich noch über solche Dinge aufzuregen.«
    Odette bezweifelte das. Tante Harriet war sanfter geworden, aber sie war immer noch eine Kämpferin und ließ es sich nicht nehmen, zu allen wichtigen Dingen ihre Meinung zu äußern. Odette betrachtete den Einfluss, den Tante Harriets kritische und herausfordernde Einstellung allem gegenüber während der so wichtigen und formenden Teenagerjahre in Amberville auf sie gehabt haben musste, jetzt mit neuen Augen. Plötzlich hatte sie Sehnsucht nach der Stadt ihrer Jugend.
    »Ich dachte, ich komme vielleicht für ein paar Tage, um mich zu erholen und meine Gedanken zu sammeln«, sagte Odette spontan. Ja, es war eine gute Idee, einmal alles hinter sich zu lassen. Außerdem gefiel ihr der Gedanke an ein kühles Bier mit Fitz, ihrem alten Chefredakteur.
    »Das wäre wunderbar, Odette. Sag mir nur, wann, damit ich uns ein schönes Stück Fleisch von Frank, dem Metzger, besorge.«
    »Mir steht noch Urlaub zu. Ich rede mit meiner Chefredakteurin. Wie wär’s mit nächster Woche? Vielleicht klappt es schon Samstag.«
     
    Amberville hatte sich nicht verändert. Wenn sie auch keine gefühlsmäßige Bindung zu der ländlichen Kleinstadt verspürte, war Odette toleranter geworden gegenüber der hiesigen Lebensweise und dem Gefühl der Abgeschiedenheit von der Welt, in der sich das wirkliche Leben

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