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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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tief hängenden, schnell dahinrasenden Sturmwolken abhob. Im gleichen Moment öffnete sich die Tür, und die geheimnisvolle alte Frau trat heraus, schloss die Tür und ging mit energischen Schritten davon.
    Odette stellte den Topf mit der Schaufel auf den Boden, wischte sich nervös die Hände an ihrem Rock ab und lief ihr nach.
    Beim Rosengarten holte sie die Frau ein und rief: »Hallo! Kann ich kurz mit Ihnen sprechen?«
    Die Frau wirbelte überrascht herum, und Odette sah, dass sie ein beigefarbenes edwardianisches Nachmittagskleid mit hohem Spitzenkragen und einer Kameenbrosche trug. Ihr graues Haar war so straff auf ihrem Kopf aufgesteckt, dass sich die Gesichtshaut über den scharf hervortretenden Knochen zu spannen schien.
    »Wer sind Sie? Was machen Sie hier? Das ist unbefugtes Eindringen!« Ihre Stimme hatte etwas Herrisches, und das Auftauchen dieser Fremden schien sie eher zu verärgern als einzuschüchtern.
    Odette blieb in einigem Abstand von der Frau stehen. »Erinnern Sie sich an mich? Ich bin Journalistin und arbeite für eine Zeitschrift. Ich schreibe eine Geschichte über Zanana und wollte Sie bitten, mir noch einige Informationen zu geben.«
    »Nein. Warum sollte ich?«
    Odette fiel auf, dass sie nicht gesagt hatte, sie wisse nichts über Zanana. »Ich versuche, den Besitzer von Zanana ausfindig zu machen. Nach meinen Informationen will Hacienda Homes das gesamte Grundstück kaufen, und wir würden gerne wissen, was der Besitzer damit vorhat.«
    »Das geht niemanden außer mir etwas an«, schnauzte die alte Frau.
    »Kennen Sie den Besitzer? Wissen Sie, wer hinter Beveridge Investments steht?«
    Die Frau funkelte Odette an und antwortete nicht. Sie faltete nur die Hände vor der Brust wie eine Lehrerin, die auf das Geständnis eines unartigen Kindes wartet.
    Odette versuchte es mit einem kleinen Lächeln. »Sie wissen vielleicht nicht, dass Hacienda das ganze Gelände bebauen und das Haupthaus abreißen will. Was wird aus Ihnen, wenn das geschieht?«
    Die Frau brach in ein heiseres Lachen aus. »Oh, das wird mit Sicherheit geschehen.«
    Odette war verblüfft. Die Frau machte einen Schritt auf sie zu und drohte ihr mit dem Finger. »Sie haben es versucht und sind gescheitert. Jetzt bin ich die Herrin von Zanana! Und ich werde es zerstören! Ich werde es ihnen zeigen. Ihnen allen.« Ihre Augen glitzerten fiebrig, und sie wirkte plötzlich ein bisschen verwirrt.
    »Wem wollen Sie es zeigen? Was haben die getan?«, fragte Odette.
    Die Frau wirbelte wütend auf dem Absatz herum, warf die Arme hoch und wandte sich mit erhobener Stimme zum Rosengarten. »Das ist mein Zuhause! Ich war zuerst da.«
    Es war ein kindischer Wutschrei, aber von solcher Qual erfüllt, dass Odette Mitleid mit ihr bekam. Die alte Frau plapperte weiter, verlor ihre bisherige Beherrschtheit, ihre aufrechte Haltung geriet ins Wanken, und ihre Arme fuchtelten herum, als seien sie außer Kontrolle geraten.
    Odette stand ganz still und sagte nichts, während sie die Frau nur anstarrte. In ihrer Brust bildete sich ein kleiner Knoten der Furcht.
    Die Frau schien sie nicht mehr wahrzunehmen und redete mit sich selbst. Dann wandte sie sich um, stockte mitten im Satz und starrte erschrocken in Odettes Richtung.
    Ein Schauder überlief Odette, und sie fragte sich, was die Frau wohl so erschreckt hatte. Sie warf einen Blick über ihre Schulter, konnte aber nichts entdecken.
    Die alte Dame machte einen stolpernden Schritt auf Odette zu, während sie den Blick auf etwas gerichtet hielt, das hinter ihr war. Ihr Mund klappte auf und zu, als versuche sie zu sprechen.
    Es war schon fast dunkel, und in diesem Moment fielen die ersten Regentropfen des Gewitters. Wie zur Warnung grollte Donner in der Ferne.
    Aus einem Instinkt heraus sagte Odette nichts und blieb still stehen. Schließlich fand die Frau ihre Sprache wieder, und ein Strom verwirrter Worte kam aus ihrem Mund. »Du hast gesagt, du liebst mich, hast gesagt, du würdest dich um mich kümmern, und dann bist du fortgegangen, und sie kam, und du gingst fort. Er wollte mich zurückschicken, und sie haben mich weggebracht. Fort von meinem Zuhause, und haben gesagt, ich dürfe hier nicht mehr leben.«
    Sie rang verzweifelt die Hände, und Tränen rannen ihr über die faltigen Wangen, aber es war die Klage eines Kindes. Es begann in Strömen zu regnen, doch sie nahm keine Notiz davon. Sie redete weiter, plapperte wirres Zeug, immer noch an eine unsichtbare Person im Rosengarten gewandt. Odette

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