Das Dornenhaus
auch die anderer Menschen.
Traurig wurde Odette klar, dass sie vor einem neuen Anfang stand – doch für Mary war es zu spät.
Kapitel sechsundzwanzig
Sydney 1972
O dette bewegte sich im Schlaf, drehte sich um und rutschte in einem Durcheinander aus Decken und Laken auf den Boden. Auf der Couch zu schlafen war doch sehr unbequem.
Ihr Schlafzimmer war voll gestopft mit Bergen von Papier, Tagebüchern, Fotos, Zeitungsausschnitten, Kopien der Bebauungspläne von Hacienda und Eden Davenports Entwürfen. Ein »Rettet Zanana«-Spruchband hing an der Wand, und auf ihrem Bett stapelten sich Plakate und Flugblätter.
Sie bewahrte alle Unterlagen zu Hause auf, aus Furcht, sie könnten in der überfüllten Redaktion verloren gehen. Zudem saß sie oft bis spätnachts daran, die Tagebücher zu einer Art Fortsetzungsgeschichte über das Leben in Zanana zu verarbeiten, aufgezeichnet von Mrs. Butterworth als Zeugin der glänzendsten Jahre des Besitzes wie auch seines Niedergangs. Solche Geschichten liebten die Leser der
Gazette
. Und sie enthielten auch ein paar verblüffende Enthüllungen.
Nur mit einem T-Shirt und weißen Socken bekleidet, hängte Odette sich eine Decke um, tappte schläfrig in die Küche und machte sich eine Kanne Tee.
Elaine erschien und hob die Augenbrauen. »Wieder eine Nacht auf der Couch, was?«
»Ja. Aber es nähert sich dem Ende. Die Kundgebung ist am Samstag, und wir haben genug Munition, um den Stadtrat vor der Sitzung am Montagabend glatt umzupusten. Du kommst doch zu der Kundgebung?«
»Dieses Spektakel würde ich mir um nichts in der Welt entgehen lassen! Wie ich höre, erwartet ihr einen Riesenzulauf – über tausend Menschen. Um ehrlich zu sein, ich wette, viele kommen einfach nur, um Zac zu sehen.«
»Zac ist bestimmt ein großer Magnet, aber hoffentlich erreicht die gesamte Veranstaltung ihr Ziel, den Stadtrat zu überzeugen, nicht für Hacienda zu stimmen.«
»Dass der Architekt die Seiten gewechselt hat, wird der Sache von Hacienda nicht eben förderlich sein. Warum haben sie sich überhaupt die Mühe gemacht und so viel investiert?«
Odette streckte sich. »Wer weiß, welche hässlichen Pläne sie tatsächlich für das Grundstück haben, aber sie haben Eden offensichtlich wegen seines Namens hinzugezogen, wollten ihrem Bebauungsantrag mit seinem Entwurf mehr Glanz verleihen und sich Respekt verschaffen. Vermutlich werden sie sein Honorar als Teil der Kosten abschreiben, die sie aufgewendet haben, um Zanana in die Hände zu bekommen. Es muss inzwischen Millionen wert sein.«
Elaine schüttelte den Kopf. »Was mal wieder zeigt, dass man einfach niemandem glauben kann. Eden muss sich doch ausgenutzt vorkommen.«
»Das tut er wohl auch. Er war sehr gefasst, als ich ihm davon erzählte, und zeigte nicht, dass er gekränkt war. Aber innerlich war er bestimmt entsetzt und wütend. Er hat ziemlich gemischte Gefühle gegenüber Zanana, aber im Grunde liegt es ihm am Herzen, und er dachte, er wäre auf eine Lösung gekommen, wie man das Beste davon retten und dem Besitz gleichzeitig die benötigte Geldspritze geben könnte.«
»Du hast deine Meinung über Mr. Davenport aber ganz schön geändert.«
Odette zuckte die Schultern. »Ich gebe zu, dass ich den Mann zuerst nicht ausstehen konnte, was ungerecht war – es war nicht so sehr der Mann, der mir missfiel, sondern das, wofür er meiner Ansicht nach stand und was er mit Zanana vorhatte. Und es fällt mir schwer, jemanden nicht zu mögen, der ein Freund aus meiner Kinderzeit ist und mit dem ich wunderbare Abenteuer erlebt habe.«
»Und du hattest keine Ahnung, wer er war?«
»Hättest du die gehabt? Also hör mal, Elaine, ich war elf und er war dreizehn, und wir kannten uns nur bei unseren Spitznamen.«
Elaine seufzte. »Wie süß. Und jetzt hat Zanana euch wieder zusammengeführt. Ach, wie romantisch«, schwärmte sie. »Wann siehst du ihn wieder?«
»Am Samstagabend nach der Kundgebung. Ich habe ihn zum Essen eingeladen. Ich muss etwas Privates mit ihm besprechen.«
Elaine hielt die Hand hoch. »Schon gut. Ich werde mich verdrücken. Willst du was kochen?«
»Nein. Ich werde viel zu beschäftigt sein und nach der Kundgebung auch zu müde. Ich habe was Italienisches von ›Luigi’s‹ bestellt, dann brauche ich nur noch einen Salat zu machen. Er bringt den Wein mit.«
»Kerzen und leise Musik?«
»Elaine, das wird kein romantisches Essen für zwei. Es hat mit Zanana zu tun.«
»Wie enttäuschend. Mit Mr. Davenport ins
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