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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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es nie mehr wie vorher. Aber damals, nach dem Krieg, war Zanana der reinste Himmel für uns Vets.«
    »Er meint den Ersten Weltkrieg«, sagte die Schwester. Sie hatte die Geschichte offenbar schon öfter gehört.
    »Vets? Sie meinen Veterinäre?«
    »Nein, nein, Kleine …«, lachte der alte Mann. »Veteranen. Die armen Kerle, die es geschafft haben zurückzukommen. Mein Gott, wir waren ein trauriger Haufen. Senfgas, Tbc … Sie kamen hierher, um … wieder gesund zu werden. Einige blieben sehr lange hier. Es wurde zu unserem Heim. Besonders für mich.«
    »Oh, das erklärt einiges. Ich hatte mich gewundert, warum all diese Betten und das Zeug in den Zimmern standen«, rief Odette. »Es sah wie ein Krankenhaus aus.«
    »Komisch. Obwohl sie diese ganze Krankenhauseinrichtung hatten, mit den schönen Antiquitäten und den alten Sachen, wirkte das Haus immer noch prächtig. Einfach prächtig. Und weißt du, Kleine, all die Burschen da schätzten sich wirklich glücklich. Selbst die Schurken rissen sich zusammen und benahmen sich, so gut sie konnten. Allein schon den Rosengarten anzusehen verschuf Linderung. Oh, und wir hatten es gut. Bauten unser eigenes Gemüse an, hatten unsere eigene Milch und sogar ein paar Schafe, die gelegentlich geschlachtet wurden, damit wir Fleisch bekamen. Lebten wie die Könige. Wir hatten Glück, denn sonst kümmerte sich niemand um uns. Außer am ANZAC -Tag, dem Tag des Australien and New Zealand Army Corps, wenn wir fein gemacht und zur großen Parade hinausgerollt wurden. Die meisten der Kameraden hatten die Verbindung zu ihren Familien verloren oder waren nicht bereit, in ihr altes Leben zurückzukehren, und hier war das Leben gut, und die Menschen waren sehr freundlich zu ihnen.«
    »Wie lange waren Sie in Zanana?«, fragte Odette, die seine Geschichte faszinierend fand.
    »Ich ging als einer der Letzten. Viele traurige Dinge waren geschehen. Dann kam die Weltwirtschaftskrise, und das Haus musste geschlossen werden. Ich zog zurück in den Norden, uns ging es ganz gut. Viele der Jüngeren gingen auf Arbeitssuche, weg aus der Stadt, schlugen sich irgendwie durch. Das war eine schlimme Zeit. Die wären verhungert, wenn’s nicht die Suppenküchen und die Heilsarmee gegeben hätte.«
    »Das ist wirklich interessant. Was Sie von dem Haus erzählt haben und so. Ich hab mich oft gefragt, wer dort wohl gewohnt hat. Ich würde gern noch mehr mit Ihnen darüber reden.«
    Der alte Mann sah wehmütig aus. »Das waren schöne Zeiten, wundervolle Menschen. Ich könnte dir eine Menge Geschichten erzählen.«
    »Aber nicht heute«, unterbrach die Schwester. »Wir müssen zurück, damit wir den Bus erwischen. Komm uns mal besuchen. Frag nur nach Wally im Kriegsveteranenheim in Bondi.«
    »Darf ich?«
    Der Mann grinste. »Tut uns nur gut, glaub’s mir. Wir haben gern Besuch.«
    Odette lächelte. »Gut, dann komme ich. In zwei Wochen.«
    »Dann erzähl ich dir ein paar Geschichten, Miss Odette.« Er zwinkerte ihr zu.
    »Das tut er bestimmt, der alte Teufel«, lachte die Schwester.
    Wally griff nach Odettes Hand. »Vergiss es nicht, Kleine. Tut mir gut, mit einem jungen Menschen zu sprechen, der mich nicht wie einen dämlichen Sack Kartoffeln behandelt. Weißt du … wir Jungs, die in den Krieg gezogen sind … wir waren die Besten. Haben auch unser Bestes gegeben, vergiss das nicht.«
    »Ich werd’s nicht vergessen.« Odette schenkte ihm ein warmes Lächeln. Sie spürte, dass er einsam war. Offenbar hatte er keine Familie oder sonst jemanden, der für ihn sorgte, sonst wäre er in seinem Alter nicht in einem Heim.
    Die Schwester stand auf und half Wally auf die Füße. »Fangen Sie jetzt bloß nicht wieder mit Ihren alten Geschichten an, Wally … Wiedersehen. War nett, mit dir zu plaudern.«
    Odette winkte ihnen nach, als Wally, unterstützt von der jungen Frau, auf seinem Gipsbein zur Bushaltestelle humpelte. Odette hatte den Verdacht, dass die Schwester nicht daran glaubte, dass sie die Fahrt nach Bondi unternehmen würde, um ihn zu besuchen. Aber Odette würde ihn nicht enttäuschen. Er konnte ihr bestimmt viele Fragen über Zanana beantworten. Sie stieg auf ihr Fahrrad und fuhr nach Hause, im Kopf formulierte sie bereits eine Geschichte, die sie »Der letzte alte Soldat« nennen wollte.
     
    Wo sich der Fluss durch die Vororte von Kincaid schlängelte, war er breit und von allen Seiten einsehbar und verbarg keine Geheimnisse. Hinter einer Biegung schien er sich verstecken zu wollen,

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