Das Dornenhaus
Manchmal wollte er die Kriegsfortschritte mit ihm besprechen, merkte aber, was für ein heikles Thema das für Sid war.
Kate seufzte und legte das Bild in ihr Schreibpult zu ihrem Farbkasten, dem Füllhalter und dem Brief an ihren Vater. Sie hatte auch an Wally Simpson und Hector Dashford Karten geschrieben. Ihnen war gesagt worden, wie viel den Soldaten Post von zu Hause bedeutete, also schrieb Kate regelmäßig an die Jungs aus dem Ort, bemühte sich, die Briefe fröhlich klingen zu lassen, und füllte sie mit interessanten Neuigkeiten aus Zanana und Kincaid. Nie sprach sie vom Krieg oder den Schwierigkeiten und der Traurigkeit der Frauen, die nun ohne ihre Männer zurechtkommen mussten. Sie beschrieb die Jahreszeiten, die Schönheit der Landschaft und der Gärten, die Wildvögel, die sie fütterte und gezähmt hatte, und kleine Ereignisse im Leben des Ortes.
Gelegentlich trafen Briefe aus Frankreich in Zanana ein. Harold Butterworth schrieb einfach und aus dem Herzen heraus und stellte viele Fragen über Zanana – wie lief es auf der Farm, wie kamen sie zurecht, was gab es Neues von den Leuten aus dem Ort und von Hock Lee? Er ersparte seiner Frau und Kate die Einzelheiten der Strapazen, die die Männer an der Front durchzumachen hatten, schrieb nur, es sei hart und schien kein Ende nehmen zu wollen. Doch er versuchte stets, eine humorvolle Anekdote einzufügen, denn es sei, wie er oft meinte, in der Tat alles verloren, wenn sie nichts mehr zu lachen fänden in dieser Hölle. Doch Kate ahnte, wie schlimm es sein musste, wenn sie die anwachsende Liste der Gefallenen sah, und versuchte, zwischen den Zeilen der stets knapp gehaltenen Berichterstattung zu lesen.
Kate kehrte zum Haus zurück und fand Gladys Butterworth damit beschäftigt, Obst und Gemüse aus den Gärten zu sortieren und zum Transport in die Stadt zu verpacken, wo es unter den Bedürftigen verteilt wurde. Da so zahlreiche Haushalte ohne Ernährer waren, hatten viele Familien zu kämpfen, um genug Nahrung zu haben. Hock Lee schickte jede Woche einen Pferdewagen nach Zanana, kam oft selbst mit, um zu sehen, ob alles in Ordnung war, und kehrte dann mit einer vollen Ladung zurück, die an die vielen von ihm unterstützten Wohltätigkeitsorganisationen verteilt wurde.
»Bist du fertig mit deinem Bild?«, fragte Mrs. Butterworth.
»Ja, und mit meinen Briefen auch. Es fällt so schwer, fröhliche Briefe zu schreiben, wenn man eigentlich nur sagen will, kommt nach Hause, wir vermissen euch, wir machen uns Sorgen um euch.«
Mrs. Butterworth biss sich auf die Lippen. »Ich wünschte, ich wüsste, was mit ihnen passiert. Die Abstände zwischen den Briefen sind so lang …«
Sie ließ den Satz unbeendet. Es konnte Wochen dauern, bis Verwandte vom Tod eines ihrer Familienangehörigen erfuhren.
Kate schloss sie in die Arme, dabei dachte sie, wie sehr ihre Pflegemutter doch in diesem Jahr gealtert war, da Harold nicht bei ihnen war. »Sie werden alle bald gesund nach Hause kommen, Mum.«
Beim Geräusch eines Autos in der Einfahrt atmete Mrs. Butterworth tief durch und straffte die Schultern. »Da kommt Hock Lee. Ich setze den Kessel auf.«
Kate lief, um die große Eingangstür zu öffnen, hüpfte die Stufen hinunter und begrüßte Hock Lee mit einer Umarmung. Jetzt, wo Harold fort war, füllte ihr Patenonkel eine große Lücke in ihrem Leben aus.
Hock Lee erwiderte ihre Umarmung und gab ihr einen Kuss. »Ich weiß, dass ich das jedes Mal sage, aber du wirst von Woche zu Woche hübscher.«
»Danke, Hock Lee. Das höre ich gerne!«, lachte Kate.
»Wie geht es Mrs. B.?«
»Ein bisschen niedergeschlagen, fürchte ich. Es ist schwer für sie, so lange ohne Nachricht zu sein. Wird der Krieg bald ein Ende haben?«
Hand in Hand gingen Hock Lee und Kate ins Haus.
»Wer kann das schon sagen. Wir beten darum. Diese Offensive in Europa scheint die Deutschen in Schach zu halten, aber um welchen Preis … so eine Verschwendung von Menschenleben.«
Sie bemühten sich, solch düstere Gedanken beiseite zu schieben, während sie den üppigen Picknickkorb über den Rasen ans Flussufer trugen. Dort breiteten sie ein Tischtuch aus und taten sich an Kuchen und Sandwiches mit hausgemachtem Cornedbeef und Pickles gütlich.
Später, nachdem sie ihren Strohhut fest verschnürt hatte, ging Kate zu dem Schwimmbecken aus Sandstein. Im Bootshaus bewahrte sie eines ihrer Lieblingsspielzeuge aus der Kindheit auf – ein hübsch geschnitztes Segelboot, das Harold ihr
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