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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Turney
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schmücken, Ellen. Ihn in eine Kulisse verwandeln, die niemand vergessen wird.«
    »Eine Kulisse wofür, Papa?«
    »Für deinen Geburtstag natürlich!«
    Die Rosen verströmten einen süßlichen Geruch und hoben sich grell von der blütenweißen Tischdecke ab, auf der die Lilien bereits braune Pollen vergossen hatten. Ich ging ins Haus und kehrte mit je einer Klebebandrolle an den Handgelenken und so vielen Vasen zurück, wie ich tragen konnte. Ellen nagte schweigend an der Unterlippe.
    »Was hast du?«
    »Lilien sind Grabblumen, und gelbe Rosen stehen für Verrat«, sagte sie.
    »Es sind doch nur Blumen.«
    »Er hat sie nicht zufällig ausgewählt, Hannah. Merkst du es nicht? Nichts dessen, was er tut, ist zufällig.«
    Vergeblich versuchte ich, sie zu beschwichtigen. Als es allmählich Abend wurde, hatte sie mich vollends mit ihrer Nervosität angesteckt. Niemand wusste, was Mr   Brecht vorhatte. Die Atmosphäre wurde immer beängstigender.
    Am späten Nachmittag waren Garten und Haus fertig geschmückt, die Mitarbeiter des Catering-Services machten sich im Speisenzelt zu schaffen, der Wein war kalt gestellt. Mr   Brecht klatschte in die Hände und sagte zu Ellen, sie solle sich umziehen. Unterdessen entzündete Mrs   Todd die Kerzen und Laternen.
    Wir begaben uns zusammen in Ellens Zimmer hinauf, wo ihr silbergraues Kleid hing. Ich schaute zum Fenster hinaus.
    »Es ist noch niemand da.«
    »Ich weiß nicht, welche Uhrzeit er ihnen genannt hat.«
    »Vielleicht kommen sie in einem Wagenkonvoi.«
    »Oder sie haben einen kleinen Reisebus gemietet.«
    »Guck mal weg!«
    Während sie sich umzog, blieb ich mit dem Rücken zu ihr am Fenster stehen. Als ich mich umdrehte, fiel mir auf, dass das Kleid, das ihr früher zu weit gewesen war, jetzt eng an ihrem Körper lag. Sie war gewachsen und kräftiger. Aus dem dürren, langbeinigen Mädchen war eine erwachsene Frau geworden. Ich half ihr, das Haar hochzustecken. Dann ergriff sie meine Hände und hielt sie fest.
    »Das ist unser letzter gemeinsamer Abend«, sagte sie. »Und wohl auch das Ende unserer Freundschaft.«
    »Nein, es ist nicht das Ende«, sagte ich. »Einfach nur der Beginn einer neuen Phase.«
    »Ich werde nie wieder eine Freundin wie dich haben, Hannah.«
    »Und ich keine wie dich.«
    Wir sahen uns lächelnd an.
    »Schade …«, begannen wir gleichzeitig und mussten schmunzeln.
    »Du siehst wunderschön aus, Ellen«, sagte ich, und das stimmte auch.
    »Ich glaube, wir müssen uns allmählich unten blicken lassen«, meinte sie, »bevor die Gäste eintreffen.«
    Draußen dämmerte es, und die Kerzen in den Glaswindlichtern blinkten.
    Mrs   Todd hatte für diesen Abend freibekommen. Sie küsste Ellen zum Abschied. Ich forderte Ellen auf, sich unter den Rosenbogen zu stellen, damit ich ein Foto von ihr machen konnte.
    Dann spazierten wir durch den Garten. Die Gerüche, die aus der Küche kamen, ließen mir das Wasser im Mund zusammenlaufen. Aus dem Zelt drang leise Musik. Klaviermusik. Ich schauderte, als ich das Stück erkannte: Es war das Regentropfen-Prélude, die Musik, die Mrs   Brechts Sterben begleitet hatte.
    Ellen sah sich um. »Wo bleiben die denn?« Sie lachte nervös. »Wo sind meine Gäste?«
    »Vielleicht sind sie schon im Zelt und wollen dich überraschen?«
    Wir überquerten den Rasen, der bereits feucht vom Tau war. Ellen öffnete den Zelteingang, und ich folgte ihr hinein.
    Ein schwerer süßlicher Duft von den Lilien und den Zitronellkerzen hing in der Luft. Die Zeltwände waren mit Blumen und Bändern und gelben und weißen Luftballons geschmückt. Auf einem riesigen Spruchband stand: Herzlichen Glückwunsch, Ellen. Ein Berg Geschenke, alle in das gleiche Goldpapier gewickelt, war auf dem hintersten Biertisch aufgebaut,von irgendwoher – ich konnte die Quelle nicht ausmachen – schallte die Musik. Sie füllte den ganzen Raum aus.
    Der kleine runde Tisch in der Mitte war für zwei gedeckt. Zwei elegante, in Rot und Gold gehaltene antike Stühle standen am Tisch und daneben ein Weinkühler voller Eis auf einem langbeinigen Gestell. Über dem Tisch hing ein kunstvoller Kronleuchter. Es gab keine weiteren Tische.
    »Ich verstehe das nicht«, sagte Ellen. Wieder blickte sie sich um. »Wo sollen die anderen denn sitzen? Und wo bleiben sie nur?«
    In diesem Moment kam ihr Vater ins Zelt. Er trug einen leicht schmuddeligen Cut, sein Haar war lang, und er hatte sich seit Längerem nicht rasiert. Als ich sein breites Lächeln und das Gewehr in

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