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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Turney
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ihnen setzte, und die drei unterhielten sich.
    »Sie wirkt glücklich«, sagte ich flüsternd. »Es scheint ihr gut zu gehen.«
    Ich sah John an, und er lächelte mir zu. Er strich sich das Haar aus dem Gesicht.
    »Hannah, du weißt, dass das nicht Ellen sein kann.«
    »Aber sie ist es.«
    Wieder richtete ich den Blick auf die Szene. Es war, als würde ich in eine andere Welt schauen, eine Welt, in der ein totes Mädchen lebendig sein konnte, wo sie in Sicherheit weiterleben konnte, ohne Gefahr zu laufen, verletzt zu werden. Ich fürchtete, Ellen würde verschwinden, wenn ich den Blick abwandte. Als könnte sie mich wieder verlassen, für immer diesmal.
    Vielleicht mussten wir jetzt gar nichts weiter tun, dachte ich. Wir waren nach Magdeburg gekommen, ich hatte Ellen gesehen. Gott allein wusste, wie es sein konnte, aber sie war da, und nun, da ich wusste, dass sie da war, konnte ich sie vielleicht in Frieden lassen und in mein Leben zurückkehren und sie schließlich vergessen.
    Aber das war mir nicht möglich.
    »O John«, sagte ich. »Ich weiß nicht, wie ich es ertragen soll, wenn ich sie abermals verliere.«
    Ich stand auf. Plötzlich wusste ich, was ich tun musste. Ich kehrte zu dem Pfad zurück und folgte ihm hinab. Meine Schritte wurden immer schneller, bis ich schließlich rannte.
    »Mach langsam!«, rief John. »Warte auf mich.«
    Ich wollte nicht auf ihn warten, wollte auf niemanden warten. Während ich lief und auf der trockenen Erde immer wieder ins Schlittern geriet und mit den Schuhen kleine Steine vor mir hertrat, spürte ich, wie all die Trauer, der Schmerz und die Einsamkeit von mir abfielen. Plötzlich waren all diese bedrückenden Gefühle verschwunden, wie durch ein Wunder, als hätten sie nie existiert. Die Zeitspanne zwischen dem Moment, da ich auf dem oberen Stockbett in dem Schuppen in Chile den Brief meiner Mutter gelesen hatte und jetzt, schrumpfte zusammen und löste sich in nichts auf. Ellen war dort, nur wenige Hundert Meter trennten uns. Das Unmögliche würde wahr werden. Ich würde sie wiedersehen.
    Mir war die Chance gegeben worden, es diesmal richtig zu machen.

ACHTUNDFÜNFZIG

    E s war der Tag von Ellens Party. Meine Mutter und ich gingen schon am Vormittag nach Thornfield House. Mrs   Todd hatte Mum gebeten, das Haus zu putzen. Als wir ankamen, hatte sich Ellen bereits für ihren Termin mit dem Anwalt fertig gemacht, den sie erwartete. Sie trug einen Rock und ein T-Shirt, Schuhe mit halbhohen Absätzen und hatte das Haar zurückgebunden. Im Haus herrschte hektische Betriebsamkeit. Ein paar Männer errichteten im Garten ein Zelt, in der Küche machten sich die Mitarbeiter eines Catering-Services zu schaffen, und Mrs   Todd räumte einige wertvolle Gegenstände zur Seite.
    Ellen war beunruhigt und aufgekratzt zugleich. Ihr graute vor der Party. Es graute ihr davor, die Stelle ihrer Mutter einnehmen und neben ihrem Vater stehen zu müssen, um die Gäste zu begrüßen. Gleichzeitig fieberte sie dem Eintreffen des Anwalts und ihrer Flucht entgegen. Diese Gefühlsmischung erschöpfte sie, und sie sah furchtbar aus; ihre Augen waren ängstlich geweitet, ihr Gesicht war zu einer Maske erstarrt. Sie sah wesentlich älter aus, als sie war. Ich machte mir Sorgen um sie. Sie war so nervös, dass ich fürchtete, sie würde mit ihrem Vater in Streit geraten oder etwas sagen, was ihren Fluchtplan gefährden könnte. Mit ihren flatternden Nerven war ihr alles zuzutrauen.
    Mr   Brecht strich rauchend ums Haus und rieb sich die Hände.
    »Was ist denn heute Abend genau geplant?«, fragte Ellen.
    Er lachte. »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich dir das verrate, Schätzchen. Alles, was du wissen musst, ist, dass jede Menge Überraschungen auf dich warten! O ja.«
    Ellen zog die Augenbrauen hoch. »Ich mag keine Überraschungen, Papa.«
    »Aber das Leben ist voller Überraschungen, Ellen. Du überraschst mich doch auch jeden Tag! Dein Erfindungsreichtum erstaunt mich immer wieder aufs Neue!«
    Wir begaben uns in den Salon, wo Mum den Flügel polierte. Silberne Armleuchter waren im Raum verteilt, auf dem Boden lag ein neuer Läufer, der die Flecken von Adam Tremletts Blut verdeckte.
    »Mir scheint, dein Vater will, dass du deinen Gästen heute Abend etwas vorspielst«, sagte meine Mutter lächelnd zu Ellen.
    »Ja, wahrscheinlich.« Ellen klappte den Klaviaturdeckel auf und ließ die Finger über die Tasten gleiten. Dann klappte sie den Deckel seufzend wieder zu. »Haben Sie gehört, ob jemand

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