Das Dornröschen-Projekt - Krimi
hatte. Er hatte sogar ein Buch entdeckt, das Zocker-Theo geschrieben hatte: Finanzwissenschaftliche Methoden und Börsenzyklen , was Matti zu der unbezweifelbaren Schlussfolgerung drängte, dass Theo für die Revolution verloren sei. »Man öffnet die Augen und sieht Renegaten.«
»Hör auf!«, befahl Dornröschen, bevor Matti anfing, die Verräter zu verdammen, traditionell angefangen bei einem ehemaligen Außenminister, der sich heute als Staatsphilosoph und Pipelinelobbyist gefalle und unter einer verquasten Bedeutungsschwangerei leide, die er ausbreite wie süßen Brei. »Ihr kennt doch die Geschichte vom süßen Brei?«
Am Abend saßen sie in der superschicken Küche. Robbi hatte in harter Arbeit die ganze Wohnung inspiziert und schien nun sein Schicksal trotz anfänglichen Gejaules anzunehmen. Nicht nur wegen ihm war der Umzug verwickelt gewesen, sie hatten sich aus dem Haus in der Okerstraße geschlichen wie Diebe. Twiggy hatte zuerst den Bulli in den Hinterhof gefahren, dort hatten sie ihn ohne Erfolg auf einen Peilsender gescannt und beladen, dann hatte Twiggy den Bus durch die Gegend kutschiert, war bei Gaby gewesen und hatte eine schwere Kiste mit alten Büchern ausgeladen und die Treppe hochgeschleppt, damit Verfolger dachten, dass er nur einen kleinen Transport erledigte. Er hatte Werners Sprüche über bedrucktes Altpapier ertragen und Gaby nur kurz trösten können wegen Konny, den sie ja auch gemocht hatte. Dann war er zurück in die Okerstraße gefahren und hatte den Bulli geparkt wie immer. Als es dunkel war, schalteten sie in der Küche das Licht aus und starrten auf die Straße, ohne aber etwas Verdächtiges zu entdecken. Matti hatte einen Spaziergang gemacht und genau geprüft, ob in einem der geparkten Autos jemand saß. Alle waren leer gewesen. Dann waren sie in ihren Unterschlupf zurückgekehrt.
»Vielleicht haben die sich verpisst, weil die Bullen wegen Konny ermitteln.«
»War doch ein Unfall«, sagte Dornröschen abfällig.
»Könnte doch sein, dass es intern Zweifel gibt.«
Twiggy lachte. Er stand auf, ging zum Kühlschrank und holte zwei Flaschen Bier heraus, die er öffnete und auf den Tisch stellte. Dornröschen hatte sich schon eine Kanne Tee gekocht. Robbi stand vor seinem Schälchen und schmatzte.
Dornröschen gähnte ausgiebig. »Wir sollten überlegen, welche Möglichkeiten wir haben. Ich schließe nur eine aus, und zwar dass wir aufgeben. Wir sind es Konny schuldig weiterzumachen. Wir haben ihn hineingezogen.« Ihr Löffel quietschte im Teebecher.
Matti räusperte sich und trank einen Schluck aus der Flasche. »Also, Lily hat angeboten, dass sie als Anwältin zu Entenmann geht und einen Frieden aushandelt. Ich bin dagegen und sage es nur, weil es ihre Idee ist.«
»Wie schön, dass sie auf dem Laufenden ist«, sagte Twiggy trocken. »Warum ziehst du sie mit rein?«
»Sie hat Ahnung …«
»Von was?« Twiggy klang schwer genervt.
»Von der Rechtsverdreherei«, sagte Matti. Er fühlte sich schuldig. »Und von der Stasi. Der Erpel war Spionage-Oberst.« Er erzählte knapp, was er mit Lilys Hilfe herausgefunden hatte.
Dann schwiegen sie lange, bis Twiggy abwinkte.
»Wir könnten Entenmann erpressen«, sagte Dornröschen.
»Mit was?«, fragte Matti.
»Wenn wir eine andere Detektei beauftragen, vielleicht findet die was. So ganz klassisch, Schwanz in der falschen Öffnung«, sagte Twiggy.
»Das kostet einen Haufen Geld …«, widersprach Matti.
»Wir könnten es sammeln«, sagte Dornröschen, aber ihre Stimme verriet, dass sie den Vorschlag nicht gut fand.
»Kannst du garantieren, dass in einer anderen Schnüffelfirma nicht ausgerechnet der Lieblingsgenosse vom Erpel arbeitet? Ich würde niemals eine Berliner Firma beauftragen, und eine andere würde es nicht hinkriegen. Man braucht Ortskenntnis. Und wenn du bedenkst, wie diese Typen aufpassen, die kriegen das mit. Nicht sofort, aber irgendwann. Außerdem, woher weißt du, dass der fremdgeht?«
»Tun das solche Gestalten nicht immer?«, fragte Twiggy, aber er klang nicht sehr überzeugt.
Sie schwiegen und überlegten.
Dann sagte Dornröschen: »Also, die Erpel sind militant geworden …«
Matti nickte. »Das können wir auch. Lissagary, ich sage nur Lissagary.«
Dornröschen gähnte noch einmal. Dann runzelte sie die Stirn, glättete sie wieder. »Aber was sind die Folgen? Wir schlagen zu, wie auch immer, dann haben wir nicht nur die Stasi an der Backe, sondern auch die Bullen. Sie werden uns hetzen, und sie
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