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Das Drachenboot

Das Drachenboot

Titel: Das Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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Steven unter der Hand seines Schnitzers. Und sie gefielen ihm. Aber zum Schwatzen über Nester und Daunen war keine Zeit. Die anderen waren schon weit voraus. Hrolf und Folke beeilten sich, sie einzuholen. Hrolf hatte wieder ein ernstes Gesicht aufgesetzt. Vielleicht dachte er über Aud nach. Folke war überzeugt davon, daß Hrolf sich früher nicht lange mit Geschwätz aufgehalten, sondern sich gleich in die Nester hineingeworfen hatte. Aber nun war er wohl älter und ruhiger geworden.
    Stille herrschte auch bei den Männern, die weiter vorn die restlichen Gebäude durchkämmten wie ein Hornkamm die Läusenester. Nur ein verwegener Hahn hielt sich nicht an die allgemeine Atemlosigkeit. Aber das Gurgeln, mit dem er abbrach, deutete darauf hin, daß kein Dorfbewohner den Kriegern traute und der Besitzer ihn lieber für den eigenen als für einen fremden Kochtopf sterben sah. Hjalti aber war nicht auf Hähne aus. Mit zusammengekniffenen Lippen blieb er unterhalb der Fluchtburg stehen und blickte über die Häuser und die Bucht, während sich seine Männer allmählich um ihn sammelten. Folke und Hrolf kamen als letzte an, und Folke hörte eben noch, wie Hjalti sagte: »Der Sklave ist nicht hier. Dann kann er nur noch in den Wäldern sein.«
    Mit seinem Arm beschrieb er einen weiten Bogen über die Hügel. Und ob nun hinter dem Wald, der die Burganlage im Süden schützte, noch weitere undurchdringliche Wälder oder aber leicht überschaubare Äcker und Viehweiden lagen, er schien entschlossen, die ganze Insel nach dem verschwundenen Sklaven zu durchsuchen, ganz gleich, wieviel Zeit es sie kosten mochte.
    Folke atmete tief ein und versuchte, seinen Ärger zu verbergen. Warum hatte Thor ihm keinen Wink geben können, daß ein norwegisches Schiff nicht der rechte Ort für einen strebsamen Schiffbauer darstellte? Unversehens befand er, der nichts als Schiffe bauen wollte, sich auf Sklavenjagd.

 
5
Der Sklave Wertizlaw
     
    Daß der Mann sich nicht auf den Feldern und Weiden verstecken würde, war jedem klar. Da gab es nur Buschwerk entlang der Bäche, und ein Entkommen war Wertizlaw auf diesem Weg kaum möglich. Trotzdem sammelten Hjalti und seine beiden Wachführer die Männer um sich und teilten sie auf: sie würden in sieben Suchmannschaften unterwegs sein, jede Bootswache aufgeteilt in vier Gruppen. Die achte würde das Schiff bewachen.
    Hrolf übernahm mit seinen Männern den Wald, Aslak das Gelände mit freier Sicht, das ihm vertrauter war: die Felder, die Weiden und den Strand. Folke ging mit Hrolf und dem Ruderer, der im Schiff vor ihm saß, Frodi, einem stillen Mann, der kaum den Mund aufmachte. Auf dem Schiff war er so unauffällig gewesen, daß Folke ihn kaum bemerkt hatte. Hier im Wald aber übernahm er sofort die Führung, und Hrolf überließ sie ihm wortlos. Folke hätte es nicht besser treffen können: der Mann war ein geübter Waldläufer, und er selber konnte sich seinen Gedanken hingeben. Lautlos stieg Frodi ihnen durch das Gebüsch voran und schien im Vorübergehen jedes Stück Erde und jeden Busch zu mustern. Das Buschwerk war dicht. Nur hin und wieder schimmerte ein winziger Ausschnitt des Burgwalls durch die Zweige hindurch, und der grau verhangene Himmel stach kaum von den Baumkronen ab. Statt daß es gegen Mittag heller wurde, schien die Dunkelheit sich bereits wieder über das Tal herabzusenken.
    Endlich waren sie auf der Höhe angekommen, die ein wenig unterhalb der Fluchtburg lag. Frodi wartete auf Hrolf und Folke, und als diese den Abstieg auf der anderen Seite beginnen wollten, schüttelte Frodi den Kopf und hob die Hand.
    Während Hrolf und Folke Frodi verwundert über die Schulter sahen, befühlte Frodi einen in Augenhöhe gebrochenen Ast. Dann bückte er sich und kroch ins Unterholz. »Kommt mit«, ertönte nach einer Weile gedämpft seine Stimme, und die Männer beeilten sich ihm zu folgen. Der Pfad war nicht von den Dorfbewohnern ausgetreten, denn sie mußten auf ihm entlangkriechen. »Keine Sorge«, hörten sie vor sich die etwas spöttische Stimme von Frodi. »Es ist kein Weg von Trollen oder Zwergen. Und den Wildschweinen, denen der Pfad gehört, werdet ihr nicht begegnen - bei dem Lärm, den ihr macht.« Folke rieb sich betroffen die nassen Knie und verzog beschämt das Gesicht. Er war kein Jäger, sondern Bootsbauer; aber im Unterholz soll man sich benehmen wie das Wild: das hatte ihm sein Vater oft genug gesagt, und in den Wäldern rund um den Bärenhof hatte er nie vergessen, den

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