Das Drachenboot
gegenüber schwach.
»Wir werden ständig schöpfen«, sagte Hrolf zuversichtlich und seufzte dann. »Der Sklave ist verkauft, aber Glück hat er Geirmund nicht gebracht.«
»Als ob der Sklave etwas damit zu tun hätte!« fauchte Folke. »Wir werden vollaufen!«
»Nein«, antwortete Hrolf überlegen und war die Ruhe selbst. »Vielleicht dichtet es sich wieder von selbst, wenn die Planken aufquellen. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Solange das Wetter sich nicht plötzlich verschlechtert, können wir segeln. Die Männer werden sich beim Schöpfen alle halbe Stunde ablösen.«
Hrolf hatte entschieden. Aslak trat zurück, um Hrolf vorbeizulassen, aber sein Blick ruhte nachdenklich auf Folke, der den Kopf schüttelte. Die Männer des Achterschiffs rückten unruhig auf den Bänken und flüsterten miteinander. Alf, der eine ganze Weile unbeteiligt Nüsse geknackt hatte, ohne die beratenden Männer aus den Augen zu lassen, spuckte erbittert schwärzliches Fruchtfleisch in die See. Er streute eine Handvoll leerer Schalen in die Wogen, die bedrohlich nahe neben ihm aufstiegen und deren Gischt über das Freibord hereingeblasen wurde. Als eine Schalenhälfte ihm vor die Stiefel gespült wurde, sagte er inbrünstig: »Wären wir doch an Haithabu vorbeigefahren! Es wäre für uns alle besser gewesen.«
»Und hättest du geschöpft, als die Reihe an dir war, wüßten wir vielleicht mehr«, gab Folke wütend zurück und hatte in seinem aufgestauten Zorn auf Alf längst vergessen, daß dieser ja vermutlich ganz unschuldig war. Erst als es gesagt war, fiel es ihm ein. Aber es war zu spät.
Alf erhob sich von seinem Sitz und glitt wie eine Natter auf Jagd auf Folke zu. »Woher willst du das wissen?« zischte er. Er war beinahe so lang wie Folke, und beide wirkten eher sehnig als muskulös. Dennoch reichten ihre beiden Gewichte zusammen aus, das Schiff merklich rollen zu lassen, und bei der Schwerfälligkeit, mit der sich der »Graue Wolf« wieder aufrichtete, sträubten sich Folkes Nackenhaare. Es mußte schon wieder sehr viel Wasser im Boot sein. Aber Alf war gefährlich, und er durfte ihn nicht aus den Augen lassen. Aslak trennte die beiden jäh und schnell wie Thor der Hammerwerfer. In seinem Nacken traten die Muskeln wie dicke Schiffstaue hervor. »Ihr Hornochsen könnt euren Streit in Skiringssal austragen, wie ihr wollt«, schrie er, »meinetwegen schlagt euch tot. Hier aber wird bei den Bärten der neunhundertköpfigen Alten nichts ausgetragen!« Folke ließ sich auf die Knie fallen, als er sicher sein konnte, daß Aslak Alf auf Abstand halten würde, und schöpfte weiter.
»Wenn du schon Tyrs Großmutter anrufst, Aslak«, bellte in diesem Moment Hjalti, der mit wachsender Verärgerung zugehört hatte und sich - ausnahmsweise - in die Streitereien der Männer einmischte, »solltest du auch daran denken, daß ihr Enkel Tyr den Fenriswolf gebändigt hat ... Ich würde Tyrs Sippschaft nicht anrufen - jetzt jedenfalls nicht.«
»Du wolltest doch wohl nicht Ähnlichkeiten zwischen unserem >Grauen Wolf< und dem Fenriswolf sehen?« fragte Aslak höhnisch, dem die Wut allmählich in den Kopf stieg. »Mit diesem Ungetüm! Das kann dein Ernst nicht sein!« Aber Hjalti schüttelte unnachgiebig den Kopf. Aslak wußte schließlich selber, wie weitläufig die Verwandtschaft der Wölfe war. »Du wirst gut daran tun, den >Grauen Wolf< nicht zu verärgern, indem du seine Feinde beschwörst«, beharrte er. »Der >Graue Wolf< hat heute ohnehin nicht die beste Laune, wie es scheint.«
Die Männer von Hrolfs Wache nickten, Aslaks Männer aber blickten zu Boden und weigerten sich, ihrem Wachführer in den Rücken zu fallen. Nur Alf hatte nicht vergessen, wie gering der Beistand gewesen war, den er bisher von Aslak bekommen hatte.
»Vielleicht hat Aslak vergessen, daß der Fenriswolf Sieger bleiben wird und mit ihm alle anderen Wölfe«, rief er aus der sicheren Entfernung vom Mast, in dessen Schutz er sich zurückgezogen hatte. »Der >Graue Wolf< fliegt nach Hause, ohne sich auch nur zu schütteln. Aber Aslak versteht weder von Wölfen noch von Booten allzuviel. Und deine Großmutter kannst du mitsamt ihren Bärten in ihren Metkessel tauchen!«
Alfs Unverschämtheiten ließen Aslak die Gefahr vergessen. Alf sah sich hilfesuchend nach dem Schiffsführer um und sprang dann an die Bordwand, um Aslak zu entgehen. Aber er hatte Hjaltis Wohlwollen über- und Aslaks Ansehen unterschätzt.
Die Ruderer wichen zurück, um dem Wachführer
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