Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Drachenboot

Das Drachenboot

Titel: Das Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
Vom Netzwerk:
kann ein Mann nicht wollen. Aber er, Folke, wollte mehr. Schwarz oder weiß, warm oder kalt: das war ihm zu wenig. Es konnte einer das Heil wollen, und es geriet ihm zum Unheil. War nun das Wollen richtig und die Tat falsch - oder war sie richtig? Mit blinden Augen blickte er über die See und kam sich vor wie der Rabe Huginn, der über einem Wolf schwebt. Bis ihm wieder die Keule einfiel. Neben dem Ösgang hatte sie gelegen, zwischen den Ballaststeinen und sorgsam in ein Tuch gewickelt, aber durch die Bewegungen im Wellengang war sie wohl herausgerutscht. Aber warum? Benutzte jemand an Bord eine Keule beim Kampf? Oder war es vielleicht die, von der Lodin der Kampfblinde getroffen worden war? Hatte es am Ende doch einen Zweikampf innerhalb der Mannschaft gegeben? Vielleicht sogar einen unehrenhaften - was der Grund sein mochte, weshalb niemand davon sprach? Es waren lauter nutzlose Fragen, jedenfalls war ihre Zeit noch nicht gekommen. Folke beschloß, Huginn nach Hause zu Odin zu schicken, dann wandte er sich wieder der Insel zu. Der »Graue Wolf« hatte sich erleichtert geschüttelt, als er das viele Wasser endlich losgeworden war, und merklich Fahrt aufgenommen. Ohne daß Hjalti den Kurs ändern mußte, näherte sich der steinige Strand von Erri rasch ihrem Boot, denn das Land schlug hier einen weiten Bogen, dessen Sehne sie auf See folgten. Sie konnten bereits das nördlichste Ende der Insel ausmachen, den Punkt, an dem sie ihren Kurs ändern würden. Wie ein schlafender Bär lag Erri im Inselmeer, den hoch aufragenden Rücken zur Wetterseite gekehrt, den ungeschützten Bauch in den ruhigen Gewässern der Ostseite. Die flachen Sände dort streckten sich wie breite Tatzen in die sanften Wellen, während es hier am Rücken überall tief war.
    Vor dem Drachenkopf wurde schon das niedrige Buschwerk auf Erris Nordspitze erkennbar und darüber auf der Anhöhe die geschwärzte Stelle, von der aus lodernde Feuer die Anwohner früher vor einfallenden Nordleuten gewarnt hatten. Auf dem steinigen Strand, der sich hier am Inselende wie ein aufgeschütteter Wall ausnahm, befand sich kein Mensch. Nur einige Pfähle im Wasser und ein Holzgestell mit einer Winde bewiesen, daß von hier aus Fischer auszufahren pflegten. Folkes Blick blieb in der auf und nieder schwankenden Bewegung des »Grauen Wolfs« an einigen Kiefernlatschen hängen. Fast hatte er gedacht, dort etwas Buntes zu sehen. Aber er hatte sich wohl geirrt.
    »Wie weit wollen wir heute segeln?« fragte er Hrolf, der ebenfalls Ausschau hielt.
    »Bis zur Küste des Langen Landes. So war es zumindest geplant«, antwortete Hrolf mißmutig. »Aber mir scheint, daß wir heute nicht schneller vorwärtskommen als der Holzschuh meiner Sklavin, wenn mein Sohn ihn als Boot benutzt.«
    Folke wartete, daß Hrolf weitersprach. Aber der schien mit den Augen an der Insel Maß zu nehmen. Er erhob sich sogar, um besser sehen zu können. Erst als er sich gesetzt hatte, kehrte er mit den Gedanken zu seinem Sohn zurück. Schmunzelnd fuhr er fort: »Ohne seinen Inhalt, versteht sich. Die Sklavin kann sich freuen, wenn er sie vorher noch raussetzt.« Hrolf grinste, und Folke verstand, daß er ungemein stolz auf seinen tüchtigen Sohn war und gleichzeitig, daß für Hrolf die Sache von vorhin erledigt war. »Dein Jüngster?« wollte er wissen.
    »Bisher.« Hrolfs Stimme hörte sich nun hochgradig zufrieden an. »Drei Sommer ist er alt, und sieben Söhne habe ich von Bera«, erzählte Hrolf weiter. »Nur zwei sind gestorben, bevor ich sie aufgenommen hatte. Ja, meine Bera ist tüchtig. Noch bevor wir im nächsten Jahr auf Sklavenjagd gehen, werde ich den achten Sohn haben, denke ich. Vielleicht sollte ich Freyr ein besonders großes Opfer bringen.«
    »Meine Frau erwartet auch einen Sohn«, erzählte Folke scheu, aber Hrolf hörte nicht hin. Er grübelte darüber nach, welches Opfer er bringen sollte, obwohl solche Sorgen angesichts seiner und Beras Fruchtbarkeit unnötig schienen. Folke spähte wieder zum Land. Tatsächlich stand nun eine Frau zwischen den grünen Ästen, und ihr Rock war lang und bunt, und sie hatte es aufgegeben, sich zu verbergen. Mit der Hand über den Augen spähte sie auf die See hinaus, so wie man nach Feinden Ausschau hält. Folke erschrak. Nicht vor der Fischersfrau, sondern weil er sie immer noch querab ortete. Querab wie vorhin. Sie kamen kaum vorwärts. Er sprang auf. »Ich werde noch einmal ösen gehen. Jetzt ist das Wasser wohl zusammengelaufen.«
    Hrolf nickte

Weitere Kostenlose Bücher