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Das Drachenboot

Das Drachenboot

Titel: Das Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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mit Gewalt; aber nicht mit Gewalt, bevor die Not eingetreten war. Und Aslak war wohl auch dieser Meinung. Von oben beobachtete Folke, wie er Hjalti am Arm ergriff und auf ihn einredete. Die beiden schienen einen heftigen Streit miteinander auszutragen. Schließlich pfiff Hjalti. Alf und Bard hörten es. Aber sie kauerten auf dem Boden und kümmerten sich nicht darum. Erst als sie aufstanden, erkannte Folke entsetzt, daß sie eine Fackel angezündet hatten und sich dann nach Brennholz umsahen.
    Und plötzlich war Alf nicht mehr der junge unreife Mann vom Schiff, sondern ein Wolf. Aus seinem Wams hervorgezaubert und über den Kopf gestreift hatte er die fürchterliche Wolfsmaske, die den gnadenlosen Kampf ansagt. Und so lief er schreiend auf den Hof zu, der ihnen am nächsten lag.
    Er war der einzige im Dorf, der einigermaßen ansehnlich war. Zwei Nebengebäude und das Haupthaus mit hölzernen Wänden und Reetdächern waren Brennholz genug und würden ein hübsches Leuchtfeuer geben.
    Bard folgte fackelschwenkend, während die übrige Schiffsbesatzung neugierig hinterherschlenderte. Hjaltis halbherziger Rückruf war vergessen. Alf trat die Tür ein und stürmte ins Haus, Bard blieb unschlüssig mit der Brandfackel davor stehen.
    So still der Hof vorher gelegen hatte, so laut wurde es jetzt. Die Einwohner waren bei weitem nicht so wehrlos, wie es geschienen hatte. Schwerter klirrten, und tiefe Stimmen ertönten. Von Alfs heller war nichts zu hören. In diesem Moment drängten die anderen Männer in die Tür. Der Hof versprach Beute, und jetzt wollten sie daran teilhaben.
    Der Lärm im Haus wurde lauter, aber bevor noch irgendeiner aus der Mannschaft hatte eindringen können, erschien Alf mit dem Rücken voran. Er hieb erbittert mit dem kurzen Sax in die Luft und erreichte den Mann nicht, der sich selber mit dem Schild schützte und mit dem langen Handspeer nach Alfs Beinen stach: die Gamaschen hingen bereits in Fetzen herunter, und das Blut troff an seinen Beinen entlang. Um endlich richtig ausholen zu können, machte Alf einen langen Schritt nach hinten, stolperte über einen Knüppel, der ihm zwischen die Beine geriet, und fiel der Länge nach auf den Boden. Der Speer des Hausbesitzers, der just in diesem Moment losflog, traf Bard tief in die Brust. Die Wut der Norweger war angefacht und wuchs ins Unermeßliche, als Bard zu Boden sank. Laut brüllend stürmten sie das Haus, überrannten den Verteidiger und schlugen ihn kurzerhand tot. Was sich drinnen im Haus tat, entging Folke, der untätig auf der Kuppe stand und zusah. Auch Aslak war vor dem Haus geblieben, er war viel zu erfahren, um sich in ein volles Haus zu stürzen, in dem jeder zusätzliche Mann den Kampf behinderte, statt ihn zu entscheiden.
    Nach wenigen Minuten ebbte der Lärm ab, und die Männer begannen herauszuschleppen, was nicht niet- und nagelfest war. Sie stapelten Säcke, Tonnen und Krüge auf dem Grasplatz vor dem Hof auf, alles, was sie finden konnten. Bolli schleppte eine junge Frau mit sich, die nicht mitansehen wollte, was ihrer Familie und ihrem Anwesen geschah und den Kopf verhüllt hatte. Sie sank auf den Boden und blieb dort liegen. Ihr neuer Besitzer, von seiner Gier getrieben, noch mehr zu holen, sah sie unschlüssig an und rannte wieder ins Haus.
    Als einer der letzten kam er mit leeren Händen zurück, worauf Alf die Fackel gegen das Haus warf. »Da habt ihr ein Andenken an Bard«, schrie er und lachte. Das Reetdach flammte sofort auf, angefacht vom Wind, und es dauerte nicht lange, bis die drei Gebäude lichterloh brannten. Der Wind trug die Funken den Hügel hinauf, wo sie im Gras verglommen. Bald sanken die glühenden Balken mit dumpfem Krachen in sich zusammen. Zwischen den Hölzern wurden die nackten Beine eines Toten sichtbar. Folke starrte sie an und roch versengtes Fleisch. Er wandte sich ab. Die Männer des »Grauen Wolfs« sammelten sich schweigend neben Bard, den jemand vom Haus weggezerrt hatte. Ihre Wut war erloschen. Auch Alfs strahlende Fröhlichkeit fiel in sich zusammen wie die glimmenden Reetbunde des Daches. Er zog sich die von Schweiß und Speichel durchnäßte Maske vom Kopf und verwahrte sie in seinem Wams. Dann flüsterte er leise mit Ulf.
    Hjalti sah sich nach Folke um und winkte ihn heran. »Sieh du nach, was mit Bard ist«, bat er.
    Folke kniete neben Bard auf die Erde und hielt ihm seine Hand vor den Mund und vor die Nase. Er schüttelte den Kopf - wegen der nutzlosen Handlung nicht weniger als wegen des

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