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Das Drachenboot

Das Drachenboot

Titel: Das Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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wenn sie fahren wollen, werden sie merken, daß sie es nicht können, und sie werden sich betrogen fühlen.« Sie wurde immer leiser und flüsterte zum Schluß nur noch.
    Folke fuhr sich mit der Hand nervös durchs Haar. Sie hatte recht. Ein Schiff mußte her, sonst würden die Visbyleute die Norweger nicht los. Und es würde weiteren Totschlag und noch mehr Plünderung geben.
    »Kannst du uns nicht helfen?« bat Aud. »Du bist nicht wie die.«
    Nein, Folke fühlte sich weniger denn je mit der Mannschaft verbunden. Aber wie sollte er helfen? »Du hast mit ihnen gelebt. Du wirst die richtigen Worte für diesen Hjalti finden.«
    »Ich gehöre zu ihrer Gemeinschaft«, wehrte Folke ab, aber auch in seinen eigenen Ohren klang es nicht aufrichtig. »Sie werden das ganze Dorf nicht anders behandeln als den einen Hof«, fuhr Aud eindringlich fort. Folke nickte zögernd. Er hatte nichts unternommen und Hjalti gegenüber sofort aufgegeben. Aber vor Auds Augen kamen ihm Zweifel, ob das genug war, vor allem, wenn er daran dachte, wie erst Hjaltis Rache aussehen würde. »Wie viele sind umgekommen?«
    »Ein Mann, eine Frau und zwei Kinder. Die Mutter der Kinder habt ihr mitgenommen.«
    »Sie, nicht wir«, verbesserte Folke und überlegte fieberhaft. Aber es fiel ihm nichts ein. »Das Beste wird sein, du fliehst. Sie werden sich in jedem Fall an euch rächen, und wenn sie jetzt ein Schiff flott machen können und fortsegeln, dann kommen sie eben im nächsten Jahr wieder.«
    »Warum?« fragte Aud empört.
    Folke sah sie ernst an. »Aus Rache. Für den Sklaven. Hjalti ist der Meinung, daß ihr ihn erschlagen habt.« Aud schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen. Folke wartete, aber dann sah er ihre Schultern beben und hörte sie schluchzen.
    Der Bootsbauer wunderte sich nicht wenig. Wut und Empörung hätten besser zu ihr gepaßt. Er bohrte mit der Schuhspitze im weichen Sand und konnte ihr Elend gar nicht mit ansehen. Wenn wirklich jemand aus dem Dorf den Sklaven erschlagen hatte, mußte er sich die Folgen selbst zuschreiben. Wilde Norweger durfte man nicht reizen. Selbst in Haithabu waren die Speere und Äxte neben die Tür gerückt worden, als es hieß, Nordleute aus Skiringssal hätten im Hafen angelegt. »Tja«, sagte er bedauernd, »da weiß ich auch nicht, wie man euch helfen kann.«
    »Aber sie waren es doch gar nicht!« Aud schniefte und schluchzte und rieb sich endlich die Tränen von den Wangen.
    »Woher weißt du das?«
    »Jeder weiß es«, antwortete Aud verzweifelt. »Und sie wußten es auch vorher und haben mich gewarnt. Aber ich habe es nicht geglaubt!« Sie war jetzt so verzweifelt, daß sie sich am Rande der Hysterie befand. Ein Hopfentrank hätte ihr gut getan, jedenfalls hätte Aasa ihr einen aufgebrüht und ihr außerdem befohlen zu schweigen, damit ihre Stimme nicht noch schriller wurde.
    Aber Aasa war nicht da, und Folke hatte keine Ahnung, wie er das überreizte Mädchen beruhigen sollte. Er nahm sie bei den Schultern und drückte sie in den Sand. Dann ließ er sie eine Weile in Ruhe, während er seinen Gedanken nachhing. Nebenher versuchte er, den Geräuschen am Strand zu entnehmen, wie weit die Mannschaft bei den Vorbereitungen zum Ablegen war. Noch konnte Folke vieles sehen, vor allem auf dem Wasser, das den Schein des aufgehenden Mondes zurückwarf. Auch die Männer. Sie arbeiteten fieberhaft. Aber nicht mehr lange, dann würden sie unterbrechen müssen. Zum Glück regnete es heute nicht, und es war auch warm. Vielleicht würden die Leute noch nicht einmal auf die Idee kommen, die nächstgelegenen Häuser von unerwünschten Anwohnern freizuräumen, um sich dort schlafen zu legen. Er seufzte. Seine Gedanken waren nur unnütze Schnörkel aus der Unsicherheit heraus.
    Man konnte nie vorhersagen, was die Nordleute in ihrer Wut und Enttäuschung anstellen würden. Lautes Plätschern bewies, daß sie nun das Schiff leerzuösen versuchten. Das konnten sie auch in der Dunkelheit; den Mast eines fremden Schiffes mit Tauwerk zu setzen, das nicht mehr sichtbar ist, würden sie nicht versuchen. »Kannst du mir jetzt erklären, was du damit gemeint hast: sie hätten dich gewarnt?« fragte er behutsam, als Auds Tränen versiegt waren und ihr lauter Schluckauf aufgehört hatte. »Wer? - und vor was?«
    »Die Männer wollten, daß euer Hjalti annahm, Högni hätte den Sklaven getötet. In dem Moment, wo Hjalti wüßte, daß nicht Högni ihn erschlagen hat, gerieten wir in Gefahr, sagten sie. Ich aber wollte dem Kaufmann

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