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Das Drachenboot

Das Drachenboot

Titel: Das Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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zusammengeschlossen, mit den Schilden nach außen gewendet, stiegen sie wie ein wehrhafter vielfüßiger Igel die Anhöhe hinauf. Aber niemand kam ihnen entgegen. Nur die Bäume rauschten in einer plötzlichen Brise, und irgendwo in der Nähe plätscherte ein Bach. Es war, als ob die Botschaft vom drohenden Unheil ihnen bereits vorausgeeilt wäre und die Angst sich im Wald ausgebreitet hätte.
    Oben auf dem Buckel sahen sie die Fluchtburg mit ihrer Umwallung auf der nächsten Anhöhe liegen, aber keine Wachen. Die Senke davor war übersichtlich und leer bis auf einige Kühe, die an Holzpfählen angebunden waren und das Gras ringsherum kreisförmig abgefressen hatten. Mitten durch ihre Weide führte der Pfad an der Burg vorbei zum Dorf. »Um so besser«, sagte Hjalti zufrieden. »Die haben Angst vor uns. Wir werden leicht kriegen, was wir brauchen.«
    »Und noch mehr«, sagte Alf und klopfte auf den Köcher mit Pfeilen, den er auf dem Rücken trug. Er war erhitzt und sein Gesicht verschwitzt. Er stand dicht bei Hjalti und lauschte so eifrig dessen Befehlen, als hätte er seinen König vor sich. Seine Vorwürfe gegen den Schiffsführer schien er längst vergessen zu haben.
    Der Jungkrieger Alf hatte sich herausgeputzt, wie Folke verblüfft feststellte: sogar den viereckigen Mantel der Vornehmen hatte er aus seinem Sack herausgekramt. Wäre er nicht so jung gewesen und wäre sein Gesicht nicht so unedel gewesen, hätte er wohl für den Unterführer Hjaltis durchgehen können. Heute war Folke besser in der Lage, unter der oberflächlichen Schönheit von Alf den Ehrgeiz zu erkennen, der in ihm brannte und ihm angesichts des wehrlosen Dorfs in die Wangen stieg.
    Hjalti betrachtete Alf vom Kopf bis zu den Füßen, bis dieser anfing, vor lauter Unbehagen an der Fibel zu fingern, die seinen Umhang zusammenhielt. Auf der ganzen Fahrt hatte Alf den Umhang noch nicht getragen, und daran war nicht ausschließlich das warme Wetter schuld. Hjalti schoß ein warnender Gedanke durch den Kopf, aber er verdrängte ihn sofort wieder. Trotzdem wäre es keine schlechte Idee, Alf ein wenig auf die Probe zu stellen. »Du bleibst am besten am Schluß und sicherst ab, daß wir nicht von hinten überrascht werden. Folke soll bei dir bleiben.«
    Folke war es recht, Alf aber nicht. »Ich denke gar nicht daran«, sagte er streitsüchtig. »Laß die Gebrechlichen und Alten sich hinten aufhalten.«
    Über Aslaks Gesicht flog ein verächtliches Lächeln, und er machte eine zornige Kopfbewegung. »Bei Rota«, sagte er leise, »dem Totengott, zu dem du nicht eingehen wirst! Das wäre auch nicht zum Aushalten, dir dort zu begegnen.« Er wußte, wen Alf meinte, und Hrolf, der es ebenfalls wußte, verfärbte sich.
    Auch Hjalti hatte verstanden, aber er wandte sich ab. Er fand die passenden Worte nicht. Ohnehin war es zu spät. »Laßt uns jetzt endlich angreifen!« rief Alf ungeduldig und gleichzeitig gönnerhaft. Innerlich jubelte er. Hjalti war erledigt. Er hatte ein Wimpernzucken lang versagt, und daran würde er sein ganzes weiteres Leben viel mehr zu denken haben als an die Havarie. Er selber würde dafür sorgen, daß seinem Verwandten Geirmund alles genauestens geschildert würde.
    Alf warf entschlossen seinen Schild über den Rücken, und rannte los. Blindlings folgten ihm Bard, Ulf und die anderen jungen Krieger. Hjalti atmete scharf ein und setzte sich ebenfalls in Bewegung. Folke hatte keine Mühe zu folgen; wie ein junger Hirsch lief er mit, hielt sich aber weisungsgemäß am Ende; auch weil ihm das gut paßte. Es gefiel ihm alles nicht, aber er steckte nun mittendrin. Immer wieder sicherte er nach hinten. Sie überquerten die Weide, ohne einen Dorfbewohner oder Wachmann zu sehen, und kamen oberhalb des Dorfes an, ohne daß Speere oder Pfeile geflogen wären. Wo sie einige Stunden zuvor noch ohne feindliche Gefühle gestanden hatten, traten sie jetzt plötzlich als Angreifer auf. Aber das Dorf war genauso friedlich wie am Vortag, und niemand kam, um sich zu verteidigen.
    Die Arglosigkeit des Dorfes und sein Sieg über Hjalti stiegen Alf zu Kopf. Wie berauscht polterte er die Dorfstraße hinunter, schlug auf seinen Schild und schrie aus vollem Hals: »Heraus, ihr Feiglinge! Kommt doch!« Die anderen jungen Männer griffen seine Rufe auf und rannten grölend hinter ihm her.
    Folke, der als letzter ankam, blieb auf der Kuppe stehen. Er hatte Hjaltis Worte anders verstanden: sie würden sich nehmen, was sie für ihre Rückkehr brauchten, notfalls

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